Mach's falsch, und du machst es richtig
findet. Sie demonstriert damit eine Souveränität, die man ihr nicht zugetraut hätte – und fügt damit ihrem Image eine neue, positive Facette hinzu. In dem Moment, da die Reputation der
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-Zeitung also eine Stufe aufsteigt, zieht sie die
taz
eine Stufe herunter: Den offenen Brief der Sängerin als Eigenwerbung zu benutzen und in der
taz
zu veröffentlichen, ist zweifellos perfide, und jeder, der dabei mitmacht, ebenfalls (ein wenig zumindest). Judith Holofernes hat ihren Brief schließlich nicht geschrieben, um der
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-Zeitung einen Gefallen zu tun, sondern um sie kräftig ins Knie zu treten.
Daß sich die
taz
in die Machenschaften der
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-Zeitung verstricken läßt, muß ihr zumindest geschwant haben, ebenso die Gefahr, die ihr dadurch droht, lebt sie doch vom Ruf, eine ehrbare Zeitung zu sein. Denn in derselben Ausgabe, in der die
taz
die
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-Anzeige druckte, publizierte die
taz
-Redaktion ein großes Interview mit Judith Holofernes. Damit sorgte sie dafür, daß die Sängerin das Verhalten der
taz
kritisieren konnte: «Interessant übrigens, dass sich die
taz
dafür zur Verfügung stellt.» Daß die
taz
die Kritik von Holofernes abdruckt (und zugleich die
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-Anzeige), macht die Sache nur noch verwirrender: Nun ist sie es, die berechtigte Kritik in ihr Gegenteil verkehrt und den Vorwurf, sie mache sich mit dem Boulevardblatt gemein, zur Eigenwerbung verwendet: Seht her, wir sind so souverän, die
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-Anzeige
und
die Kritik daran in einer Ausgabe zu bringen.
Das allerschlimmste – und zugleich faszinierendste – an der Geschichte scheint mir jedoch, daß Judith Holofernes das entstandene Kuddelmuddel in ihrem Brief bis ins letzte Detail analysiert und vorweggenommen hat – und dennoch nicht verhindern konnte, daß alles genau so kommt. Ihre Person mit eingeschlossen. In dem Brief schildert sie nämlich sehr anschaulich, wie sich Prominente mit dem Angebot der
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-Zeitung herumschlagen und letztlich darin verheddern. So dächten die Promis einerseits, eine Anzeige biete ihnen die Chance, sich ins Gespräch zu bringen, weil sie von so vielen Menschen gelesen werde; sie fürchteten aber andererseits, sich darauf einzulassen, weil die Zeitung einen so schlechten Ruf habe. «Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll’s», schreibt Holofernes über den wenig ehrenhaften Job, den die Werbeagentur ihrer Ansicht nach macht. Diese Brücke bestehe darin, so die Sängerin weiter, daß man das Honorar spenden und gleichzeitig die Wahrheit über
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sagen dürfe. Und das auf möglichst souveräne Weise tut.
Doch damit nicht genug. Wer ein paar Schritte zurücktritt, der wird den Eindruck gewinnen, daß nicht nur die bisherigen Bild-Testimonials wie Veronica Ferres, Thomas Gottschalk, Philipp Lahm, Richard von Weizsäcker und Mario Barth sich auf genau dieses Spiel eingelassen haben, sondern auch Judith Holofernes. Unbeabsichtigt, selbstverständlich – aber letztlich doch. Denn hat Judith Holofernes der Werbeagentur nicht den Wunsch erfüllt, «ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung» zu sagen? Ganz so, wie die
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es in ihrem Anschreiben formulierte? Ja, das hat sie. Und hat nicht die Werbeagentur Jung von Matt genau diese Meinung, ohne ein einziges Detail zu verändern, als Anzeige abgedruckt? Ja, das hat sie (und ob sie das durfte, steht auf einem anderen Blatt). Das einzige, das Holofernes von den anderen Prominenten unterscheidet, ist der Umstand, daß die
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-Zeitung nicht
einen einzigen
Euro für den Text bezahlt hat. Weder an die Sängerin noch an eine karitative Einrichtung. Und noch etwas lief bei der Sängerin anders: Sie wurde für ihren kritischen Beitrag nicht gelobt, sondern verhöhnt, heißt es doch in der erwähnten Anzeige: « BILD bedankt sich bei Judith Holofernes für ihre ehrliche und unentgeltliche Meinung.»
So funktioniert das also. So wird aus einer wütenden Polemik ein Meisterwerk des Lobs, das gegen jede Form von Kritik immun zu sein scheint. Denn alles, was sich gegen die
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-Zeitung und gegen die Werbeagentur Jung von Matt einwenden ließe, steht bereits in der Anzeige – kostenlos geschrieben von einer Künstlerin, die als glaubwürdige Kritikerin der
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gelten dürfte und durch genau diese Glaubwürdigkeit zum Aushängeschild der Zeitung wurde, weil diese die Größe hatte, die Kritik als Eigenwerbung einzusetzen.
Wenn das kein Fall für die
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