Mach's falsch, und du machst es richtig
Computer ein und quäkt er daraufhin plötzlich los, dann ist das «überraschend gut», zumindest in den Augen verspielter Kinder. Klingelt es an der Tür und stehen draußen ein paar liebe Freunde, die wir schon vermißt haben, dann ist das ebenfalls «überraschend gut». Und werden wir auf ein besonderes Abendessen eingeladen, so mag das zwar nicht völlig überraschend sein, aber sehr gut allemal. Das Resultat dieser Ereignisse: In unserem Gehirn springt das Belohnungssystem an und schüttet «endogene Opioide» aus, also körpereigene, opiumähnliche Substanzen. Die haben eine überaus positive Wirkung auf uns: Sobald sie unser Gehirn überschwemmen, fühlen wir uns zufrieden, glücklich, wunderbar erregt, behaglich, befriedigt – und was es an Synonymen für menschliches Wohlergehen sonst noch geben mag.
Diese Glücksgefühle haben nur einen einzigen Konstruktionsfehler, der dafür aber um so schwerer wiegt: Sie sind flüchtig. Haben wir die Software zum Quäken gebracht, sitzen die Freunde seit Stunden an unserem Küchentisch und haben wir das festliche Abendessen hinter uns, so mögen unsere Hochgefühle noch ein wenig anhalten, aber irgendwann legt sich das chemische Gewitter in unserem Gehirn wieder – und wir kehren in jenen lauen emotionalen Zustand zurück, den wir «Normalität» nennen oder «Alltag» oder «Business as usual». Unser Gehirn hat nämlich die natürliche Tendenz, alle von seinem Normalbetrieb abweichenden Zustände zu nivellieren. Aufregendes wie Glücks- oder Stressgefühle ist langfristig gesehen ungesund; sie sollten daher die Ausnahme bleiben. Eine Strategie, uns zu beruhigen, besteht darin, uns mit der aktuellen Situation zu arrangieren, sei sie nun besonders gut oder schlecht. Wir haben daher die lebenswichtige Fähigkeit zur Adaption entwickelt. Etwas weniger höflich gesagt: Wir sind Großmeister des Mittelmaßes. Was wiederum zur Folge hat, daß wir uns mit dem Status quo arrangieren, weitermachen wie gewohnt und stets dieselbe Limonaden- bzw. Computermarke kaufen.
In diesem Mittelmaß würden wir unser Leben lang verharren bzw. hätten wir es nie verlassen, gäbe es unser Belohnungszentrum nicht. Denn das versorgt uns nicht nur mit den belohnenden Glücksgefühlen, sondern es stört uns immer wieder in jenem Mittelmaß, in das wir automatisch zurückfallen. Das erreicht unser Belohnungssystem, indem es aus den vielen Reizen, die auf uns einströmen, all jene herausfiltert, die uns Spaß machen
könnten
. Es betrachtet die Welt ständig unter dem Blickwinkel zukünftigen Glücks. Solche Reize können durch eine andere Software ausgelöst werden, die vielversprechend klingt, wir aber noch nicht ausprobiert haben; durch die Möglichkeit, einen Porsche Carrera RS (Baujahr 1972 ) zu fahren; oder aber durch die Aussicht, irgendwann viel Geld, ein wichtiges Amt und hohes Ansehen auf einmal zu bekommen, indem wir ein paar Jahre auf einer amerikanischen Eliteuniversität studieren bzw. uns bei einer Castingshow bewerben.
Kaum hat unser Belohnungszentrum einen solchen Reiz identifiziert, reagiert es durch die Ausschüttung einer Substanz, die im Namen des Systems zitiert wird. Sie heißt Dopamin und ist – wie die endogenen Opioide – ein Neurotransmitter, also ein Botenstoff. Sobald sich das Dopamin in unserem Gehirn ausbreitet, geschieht zweierlei: Uns erfüllt die Erwartung, bald belohnt zu werden und Spaß zu haben, und wir werden von Glücksgefühlen durchströmt (daher wird es im Volksmund auch als «Glückshormon» bezeichnet). Es sind also gleich mehrere gute Nachrichten, die der Botenstoff in unserem Hirn verbreitet. Dadurch löst die Substanz auch eine Kaskade weiterer Reaktionen aus, die allesamt einem zentralen Zweck dienen: Sie sollen uns dazu motivieren und befähigen uns, die in Aussicht stehende Belohnung zu verschaffen. So aktiviert das Dopamin unser Arbeitsgedächtnis, also jenen Teil unseres Gehirns, der für die Verarbeitung der aktuellen Informationen zuständig ist – und tut auch sonst alles, um uns aufmerksamer und leistungsfähiger zu machen. Eine naheliegende Reaktion, denn wollen wir etwas erreichen, brauchen wir dazu unsere gesammelten Kräfte.
Wenn Sie an das Kapitel mit dem Titel «Verführerische Störungen» denken, wird Ihnen auffallen, daß unser Belohnungssystem exakt nach jenem Prinzip organisiert ist, das ich darin beschreibe, das der Störung und der Selbstregulation: Sobald wir durch etwas in unserer Ruhe gestört werden, setzt der
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