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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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Mechanismus der Selbstregulation ein und motiviert uns dazu, etwas zu unternehmen, damit wir wieder in den Zustand der Ruhe zurückkehren. Dieser kreisförmigen Organisationsform folgt auch unser Belohnungssystem: Es stört unsere Ruhe (das Leben im Mittelmaß), indem es uns eine Belohnung für das Erreichen eines bestimmten Ziels in Aussicht stellt, bringt uns dazu, das Ziel zu erreichen, belohnt uns dafür mit dem Gefühl des Glücks – um uns, nachdem unser Gehirn wieder in den Zustand des Mittelmaßes zurückgekehrt ist, ein weiteres Mal mit einer Versprechung auf Trab zu bringen. Das heißt, unser Belohnungssystem stört uns aus einem sehr wichtigen Grund: Es verhindert, daß wir – einmal zur Ruhe gekommen – in Untätigkeit verfallen. Es bringt uns vielmehr dazu, aktiv zu werden, die Welt zu erobern oder den langen Weg zum Kühlschrank auf uns zu nehmen, in dem die Limonade bzw. der Joghurt einer neuen Marke auf uns warten. Ins Werk gesetzt wird diese Belohnungs- und Störungsdynamik durch das perfekte Zusammenspiel der erwähnten Botenstoffe in unserem Gehirn, die uns verführen, belohnen, wieder stören – um uns im nächsten Augenblick wieder zu belohnen, zu verführen und immer so fort. Unser Belohnungssystem ist ein wunderbares Beispiel für jene sich selbst immer wieder von neuem aktivierenden und potenzierenden Prozesse, die keinen Anfang und kein Ende kennen, sondern immer weiter laufen.
    Wie mächtig der Sog werden kann, den unsere Erwartungen entfalten, zeigt das folgende Beispiel. Jeder von uns hat bereits unzählige E-Mails erhalten, die so oder so ähnlich beginnen: «Guten Tag, ich habe Ihre Kontaktadresse von einem vertrauenswürdigen Bekannten erhalten, dessen Namen ich im Moment nicht nennen möchte.» Anschließend folgt eine Passage, die unser Belohnungssystem auf Touren bringen soll: «Ich möchte Ihnen ein für Sie profitables geschäftliches Angebot unterbreiten», lesen wir da, «es handelt sich hierbei um den Transfer von 27 , 5  Millionen US -Dollar.» Die Absenderin der E-Mail, eine gewisse Dr. Jennifer Hans aus Südafrika, wolle ihr Land verlassen, ihr Geld «nach Europa» transferieren und dort investieren. Dabei sollten wir ihr bitte helfen. Als Belohnung für «diese freundliche Unterstützung möchte ich Ihnen 15  Prozent des Geldes zukommen lassen», was ziemlich viel ist, nämlich exakt 4 , 125  Millionen US -Dollar (vor Abzug der Steuern). Wenn wir daran interessiert seien, sollten wir uns einfach per E-Mail melden. Gezeichnet «Dr. Jennifer Hans, Hans Group of Companies Ltd, Hans Estate, 47 Strand Street, Cape Town 8001 ».
    Nun sollte man meinen, solche in ihrer Durchschaubarkeit lächerlich anmutenden E-Mails würden unbeachtet und erst recht unbeantwortet im Spam-Ordner landen. Weit gefehlt. So berichtet die Onlineausgabe des
Spiegel
, das britische Verbraucherschutzamt gehe davon aus, «daß jedes Jahr über drei Millionen Mitbürger auf betrügerische Botschaften hereinfallen, der Schaden: mehr als vier Milliarden Euro» [106] . Der Autor des Artikels zitiert in der Folge den Psychologen Stephen Greenspan, der sich in einem Buch mit dem Phänomen der Leichtgläubigkeit beschäftigt hat. [107] Die Betrüger seien «gewiefte Psychologen», sagt er, und würden die stärksten Motivationen ansprechen: «Gier, Angst, Lust, Mitleid.» Nach dem bisher Gesagten sollten wir die kleine Liste um «in Aussicht stehende Belohnungen» ergänzen. Und dann kommt Greenspan indirekt auf die Macht des Dopamins zu sprechen: Es sei überraschend, «dass leichtgläubige Menschen keineswegs immer dumm sind». Nein, das sind sie zweifellos nicht. Vielmehr sind sie Opfer des eigenen Belohnungssystems, dem es ganz offensichtlich nicht nur gelingt, uns zu den absurdesten Handlungen zu bewegen, sondern auch unsere Intelligenz zu benebeln, sind die Verheißungen nur groß genug. Wer würde das angesichts eines festlichen Abendessens, bei dem er unvernünftigerweise drei Portionen gegessen hat, bzw. angesichts einer selbstschädigenden Liebschaft bestreiten? Der Psychologe Greenspan jedenfalls nicht, denn er hat diese mitunter verhängnisvolle Macht am eigenen Leib erfahren: Er ist auf Bernard Madoff hereingefallen, den amerikanischen Anlagebetrüger, der derzeit eine 150 jährige Haftstrafe absitzt, weil er über 50  Milliarden US -Dollar privater Anlagegelder veruntreut hat.
    Doch zurück zum geregelten Lauf der Dinge. Haben wir das Objekt unserer Begierde erlangt, sitzen wir also im

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