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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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Sprache eines internationalen Beratungsunternehmens klingt das dann so: «Als ‹Experienced Hire› können Sie Ihr Know-how auf einer strategischen Ebene und in einem höchst stimulierenden Arbeitsumfeld weiterentwickeln. Sie werden an wegweisenden Entscheidungen auf internationaler Ebene mitwirken und so die Ausrichtung unserer Klienten nachhaltig beeinflussen.» [110] Pädagogen empfehlen Eltern immer wieder, Kinder in einer Atmosphäre lernen zu lassen, die sie als anregend und freudvoll empfinden; nur wer sie solcherart belohne, könne davon ausgehen, daß sie in der Schule gute Zensuren bekämen und ihre Lust am Wissenserwerb behielten. Ganz zu schweigen von den Großmeistern der angewandten Kunst, unser Belohnungszentrum in ihrem Sinne zu aktivieren – den Werbeagenturen. Seit vielen Jahrzehnten sind sie auf der Suche nach dem perfekten Satz, der direkt in den Dopamin- und Opioid-Haushalt unseres Gehirns eingreift. Unser kollektives Gedächtnis ist daher auch vollgestopft mit einschlägigen Botschaften. Sie reichen von «Sexy-mini-super-flower-pop-op-cola. Alles ist in Afri-Cola» über «Dahinter steckt immer ein kluger Kopf» der
FAZ
, «Er läuft und läuft und läuft und läuft …» von VW bis hin zu «Red Bull verleiht Flügel!» und «Mit dem Zweiten sieht man besser». In jedem dieser Sätze steckt ein mehr oder minder leicht dechiffrierbares, suggestives Versprechen, uns zu belohnen, wenn wir das jeweilige Produkt trinken, lesen, fahren, bevorzugen.

Weil wir bei der Planung unserer Versprechen zu kurz denken, beginnen die Menschen, Kobras zu züchten, anstatt sie zu jagen, und ruinieren Manager ihre Unternehmen, anstatt sie erfolgreich zu führen.
    Würde das Spiel aus Anreiz und Belohnung jedes Mal genau so ablaufen, wie es die bisherige, schematisierende Darstellung nahelegt, so könnte nicht nur der Text an dieser Stelle enden, sondern dann müßte ich mich auch fragen lassen, warum dieses Thema hier Platz bekommen hat, denn solch einfache und lineare Prozesse sind nicht Gegenstand dieses Buchs. Das zu fragen, besteht freilich kein Grund, denn unser Belohnungssystem ist zwar in seiner Organisationsform durchaus nachvollziehbar, wie wir anhand der kreisförmigen, sich ständig wiederholenden Abfolge von Störung und Ruhe gezeigt haben. Seine konkreten Auswirkungen sind ebenso komplex wie schwer berechenbar und unsere Versuche, es zu steuern, stets davon bedroht, in ihr Gegenteil umzuschlagen. Das konnten wir bereits zu Beginn dieses Kapitels beobachten. Beide Beispiele zeigen, was dabei herauskommt, wenn Konstrukteure eines Belohnungssystems nicht mitdenken. Und eine «falsche», also unerwünschte Verhaltensweise belohnen. Wir sollten dabei freilich bedenken, daß die Paradoxie allein in unserem Auge liegt – und nicht in der Mechanik des Belohnungssystems. Das tut, was es immer tut; wir haben ihm bloß eine Richtung nahegelegt, die mit unseren Zielen nicht übereinstimmt.
    Zu den einschlägigen Klassikern gehört das Beispiel mit den Giftschlangen. Der Wirtschaftswissenschaftler Horst Siebert hat nicht nur in einem seiner Bücher davon erzählt [111] , sondern gleich einen eigenen Effekt danach benannt. In der Einleitung des Bandes schreibt er: «Zu Zeiten der englischen Kolonialverwaltung soll es in Indien einmal zu viele Kobras gegeben haben. Um der Plage Herr zu werden, setzte der Gouverneur eine Prämie pro abgelieferten (sic!) Kobra-Kopf aus. Die Inder sollten also Kobras einfangen. Wie reagierten sie? Sie züchteten Kobras, um die Prämie zu kassieren.» Der naheliegende Name für dieses Phänomen: der «Kobra-Effekt». Ohne Horst Siebert, der 2009 gestorben ist, posthum etwas unterstellen zu wollen – ich könnte mir vorstellen, daß er an der letzten großen Finanzkrise seine helle analytische Freude gehabt hätte. Denn einen wichtigen Beitrag zu ihrer Entstehung hat ein Belohnungssystem geleistet, das auf den Führungsebenen der allermeisten Unternehmen angewandt wird und das wunderbar in diesen Zusammenhang paßt. Führungskräfte werden nach einer Bonusregel entlohnt, die ihnen – zusätzlich zu ihrem festen Einkommen – Sonderzahlungen verspricht. Deren Höhe hängt vom Erfolg ihrer Tätigkeit ab: kleiner Erfolg – kleiner Bonus; großer Erfolg – großer Bonus. Diese Boni zielen unverkennbar direkt auf das Belohnungssystem der Manager ab und fluten deren Gehirne mit Dopamin. Und zwar mit
sehr viel
Dopamin. Denn in Ländern wie Griechenland, Luxemburg oder Brasilien

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