Mach's falsch, und du machst es richtig
markant ansteigen. Das beschert uns zwar die angenehmsten Gefühle, setzt aber eine verhängnisvolle Mechanik in Gang, die sich von uns kaum mehr steuern läßt. Und das aus einem doppelten Grund: Zum einen nimmt die Empfindlichkeit unseres Gehirns für die euphorisierenden Botenstoffe ab, weshalb wir die Dosis der jeweiligen Droge erhöhen müssen, um die einmal gemachte Glückserfahrung wiederholen zu können. Womit jener verhängnisvolle Teufelskreis in Gang gesetzt wäre, wie wir ihn von Drogensüchtigen kennen. Und zum anderen genieße das Dopamin zu Unrecht den Ruf, ein reines Glückshormon zu sein, denn es sei «keineswegs so glücksverheißend, wie man sich wünschen würde» [109] . Es habe sich nämlich herausgestellt, daß selbst das «aggressive Verhalten von kriminellen Psychopathen weniger durch fehlende Empathie ausgelöst wird, als durch ein regelrechtes Überfluten des Belohnungszentrums mit Dopamin». Die fatale Auswirkung dieses Vorgangs: Obwohl die Menschen wüßten, «dass ihr Verhalten ihnen und anderen schadet, werden sie von dem inneren Zwang, ihre Bedürfnisse und damit das Belohnungszentrum zu befriedigen, so stark erfasst, dass sie auch die Bestrafung nicht mehr fürchten». Das Dopamin könne unser Gehirn derart mit Reizen überfluten, «dass das Bewusstsein über die möglichen Konsequenzen» unserer Handlungen «ausgeschaltet» werde – und wir mit allen Mitteln versuchen, wieder zur Ruhe zu kommen. Es ist angebracht, im Dopamin sowohl ein Versprechen als auch eine Gefahr zu sehen: das Versprechen, glücklich zu werden, und die Gefahr, bei der Suche nach dem Glück uns selbst massiv zu schädigen. Wer sich also an der Manipulation des eigenen oder eines fremden Belohnungszentrums versucht, sollte bedenken, daß er es mit einem mächtigen Apparat zu tun bekommt. Angesichts des traurigen Schicksals drogenabhängiger Menschen keine überzogene Warnung. Womit wir beim nächsten Abschnitt dieses Kapitels angelangt wären, in dem wir uns der Kernfrage dieses Buches widmen: Wie kommt es, daß so oft das gerade Gegenteil des Geplanten geschieht? Und hat das womöglich auch mit unserem Belohnungssystem zu tun? Ja, das hat es – was genau, davon soll jetzt die Rede sein.
Unser Belohnungssystem beeinflußt unser Verhalten, unsere Strategien und unsere Tätigkeiten, es befördert, was wir im Gedächtnis behalten und was wir lernen, es bringt uns im schlimmsten Fall um den Verstand. Obwohl die Hirnforschung erst langsam dahinterkommt, welch biologisches Wunderwerk sich da in unserem Kopf befindet, ahnen wir seit langem, wozu uns die Aussicht auf Belohnung bewegen kann. Und haben daraus eine einfache und weitreichende Lehre gezogen: Wenn wir anderen etwas Verlockendes versprechen, dann tun sie, was wir von ihnen wollen, um es zu bekommen. Es soll Eltern geben, die ihre gesamte Erziehung auf diese vermeintlich einfache Regel gründen. Bringst du, liebes Kind, ein gutes Zeugnis nach Hause, geben wir dir Spielzeug, Taschengeld und die Erlaubnis, am Wochenende bis 22 : 30 Uhr wegzubleiben. Und es soll Paare geben, die nach exakt demselben Muster verfahren: Nimmst du mich in dein luxuriöses Leben auf, gebe ich dir Sex dafür; kümmerst du dich um den Haushalt und die Kinder, sorge ich für ein erträgliches Maß an Reichtum.
Wenn wir uns genauer umsehen, werden wir feststellen, daß es kaum einen Bereich gibt, in dem wir nicht versuchen, dieses «Wenn-dann-Spiel» zur Anwendung zu bringen. So stellen politische Parteien in jedem Wahlkampf von neuem die unterschiedlichsten, mitunter abenteuerlichsten Dinge in Aussicht. «Mehr Netto vom Brutto» zum Beispiel versprachen die deutschen Liberalen vor der Bundestagswahl 2009 all jenen, die sie wählten; «Aus der Krise hilft nur Grün» verkündeten im selben Jahr die Grünen; «Arbeit! Arbeit! Arbeit!» verhieß die SPD 1994 , «Keine Experimente» 1957 die CDU . Der Erfolg der einzelnen Parteien hängt natürlich von deutlich mehr ab als von einem gelungenen Versprechen. Das ändert jedoch nichts daran, daß eine zentrale Herausforderung für die Parteien darin besteht, während des Wahlkampfs die Dopamin-Produktion in unseren Gehirnen zu intensivieren und sich als jene im Gedächtnis festzukrallen, die am glaubwürdigsten versprochen haben, unsere Seelenruhe wiederherzustellen.
Unternehmen wiederum werben um qualifizierte Mitarbeiter, indem sie ihnen eine Welt voller spannender Herausforderungen und glorreicher Siege in Aussicht stellen. In der
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