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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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natürlich nicht als konsequenten Nichtstuer vorstellen. Vielmehr ist er beides in einem: konsequenter Macher und konsequenter Nicht-Macher. Das klingt erst einmal wenig hilfreich, weil widersprüchlich. Der Einwand ist nachvollziehbar, doch es gibt eine einfache Methode, diese Paradoxie hinter uns zu lassen: indem wir die Kategorie der Zeit einführen. Uns also nicht darum bemühen, der Strategie des Handelns und Nicht-Handelns im selben Moment zu folgen, sondern zwischen den beiden Polen zu oszillieren. Also erst tätig sein – dann untätig – dann wieder tätig und so fort. Jener Schleife folgend, von der wir bereits gesprochen haben. So zeichnen sich gute Fußballmannschaften dadurch aus, daß sie wissen, wann sie Druck machen und wann sie eine Partie bis an die Grenze zum Nichtstun verzögern müssen, um sie zu gewinnen. Bei einer knappen Führung kurz vor Spielende zum Beispiel.
    Haben wir diesen einfachen Gedanken erst einmal akzeptiert, löst sich die Paradoxie auf, und wir können beide Anforderungen erfüllen – ein jedes zu seiner Zeit, ohne eines zugunsten des anderen abzuwerten. Und noch eine Sache können wir bei dieser Gelegenheit klären: Wer die Genialität von Steve Jobs anerkennt, virtuos zwischen Tun und Nichtstun zu pendeln, der wird die Frage für sinnlos halten, ob ersteres die Ursache seines Erfolgs sei – oder doch letzteres. Wer dennoch darauf beharrt, verhält sich wie jemand, der letztgültig entschieden haben will, ob nun das Ein- oder das Ausatmen die wichtigere Tätigkeit sei. Die Antwort kann nur lauten: keines von beiden. Oder, besser: beides. Eine einfache Antwort, zweifellos. Darin besteht auch ihr Problem. Ihr fehlt jene Aura des Außergewöhnlichen, die wir von weitreichenden Lösungen erwarten. Und doch liegt in der Entscheidung, uns aus diesem Entweder-Oder zu verabschieden, ein großer Gewinn an Handlungsfreiheit.
    Damit freilich ist immer noch nicht geklärt,
was
Steve Jobs genau tut, wenn er handelt – und welche Funktion seinem Nichthandeln zukommt. Folgen wir der Einschätzung von John Sculley, dann sind es vor allem zwei strategische Überlegungen, die Jobs vorangetrieben hat: Zum einen bestehe er darauf, die Apple-Produkte konsequent vom Benutzer her zu denken, um sie dessen intuitiven Fähigkeiten zugänglich zu machen; sie also gemäß jener einfachen Weltaneignungsstrategien zu gestalten, von denen im ersten Kapitel die Rede war. Zum anderen beharre Jobs hartnäckig darauf, den Geräten ein unverwechselbares klares Aussehen zu geben, das die Benutzung weiter vereinfacht. Wie weit Jobs’ gestalterische Obsessionen mitunter gingen, illustriert eine Anekdote, die Sculley erzählt: Jobs habe entschieden, daß selbst die Anordnung der Bauteile
im Inneren
der Rechner seinen höchsten gestalterischen Ansprüchen genügen müsse, also auch jene Bereiche, die der Kunde nie zu Gesicht bekommt. Da Jobs den Gedanken nicht ertrug, jemand könnte am vollendeten Design von Apple «herumpfuschen», wie Sculley sagt, sorgte er bei den frühen Macintosh-Computern dafür, daß die Gehäuse nicht zu öffnen waren; alles sollte so perfekt, klar und einfach bleiben, wie von ihm erdacht.
    Es waren jene Momente der bedingungslosen Suche nach dem perfekten Computer, nach dessen idealem Aussehen und nach dessen intuitivster Benutzeroberfläche, in denen Steve Jobs sich daran erinnerte, daß «die wichtigste Entscheidung nicht darin bestehe, festzulegen, welche Dinge man tun solle – sondern jene Dinge, die man sich nicht zu tun entschließt». Um schließlich nicht in einem
Mehr
an Technik und Ausstattung und Gestaltung die Lösung zu erkennen, sondern in einem
Weniger
. Wie wenig sich sein Ansatz von selbst verstand, zeigt ein Blick auf das Umfeld, in dem Jobs und die Firma Apple agierten. Dieses Umfeld wurde in der Regel von Technikunternehmen bestimmt, die nur einen Weg zum Erfolg kannten: mehr, noch mehr und noch, noch mehr. Unternehmen, die die Verbesserung des Produkts mit der Erweiterung des bereits Vorhandenen gleichsetzten, mit der Steigerung von dessen Funktionalität und damit auch dessen Komplexität.
    Am einfachsten können wir diesen Kampf zwischen den beiden Prinzipien an der Entwicklung der Handys nachvollziehen. Anstatt sich wie Apple später aufs Wesentliche zu konzentrieren, stopften die allermeisten Firmen ihre Telefone über die Jahre mit immer neuen Funktionen voll – mit dem Ergebnis, daß sie völlig überfrachtet wurden. Sie konnten fortan Dinge, von

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