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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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Ansehen genießt. Die erwähnten Herren der österreichischen Vergangenheit – für Friedell sind sie abschreckende Beispiele dafür, wie man seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Andererseits weist Friedell darauf hin, daß wir durch Untätigkeit einiges erreichen können, wenn wir sie nur richtig einzusetzen wissen. Es mag nicht jedermanns Sache sein, «zum großen Mann» zu werden, aber Friedells Aufforderung, das Nichthandeln als Strategie ernst zu nehmen, schimmert unübersehbar durch. Es scheint mir also sinnvoll, die Grundmechanik dieser vielgeschmähten Verhaltensweise genauer zu untersuchen, um sie für uns nutzbar zu machen. Anders formuliert: Es ist an der Zeit zu zeigen, daß wir mit dem genauen Gegenteil hektischer Betriebsamkeit genauso weit kommen können. In gewissen Momenten zumindest.

Wer das Wesen des Nichtstuns beschreiben will, steht vor dem Problem, daß es da nichts zu beschreiben gibt. Erst der konkrete Zusammenhang macht es sichtbar – wie die Socke das Loch.
    Wer sich mit der Taktik des Nichthandelns beschäftigt, der wird erst einmal vor einem Dickicht aus Vorbehalten stehen, das ihm die Sicht verstellt. Daher will ich mich auch nicht allzulange mit der Beschreibung aufhalten – und gleich mit Arnold Schwarzenegger beginnen. Der glaubte im Jahr 2006 , größere Chancen auf die Wiederwahl als kalifornischer Gouverneur zu haben, wenn er sich um grüne Themen bemühte und von seinem prominentesten Parteifreund George W. Bush distanzierte, dem er Untätigkeit beim Umweltschutz vorwarf. [165] Eine von Barack Obama eingesetzte Kommission wiederum vertrat die These, die Finanzkrise von 2008 sei das «Ergebnis von Gier und Untätigkeit» [166] gewesen. Auch die deutsche Bildungspolitik laboriert an diesem Übel: «Schavan will nicht handeln.» [167] Und im Mai 2010 konnten wir lesen, der deutschen Beteiligung an der Rettung Griechenlands stehe nichts mehr im Wege, denn: «Alle Experten sagen: Nicht-Handeln käme teurer.» [168]
    Sucht man nach einer Persönlichkeit, die das Nichthandeln idealtypisch verkörpert, wird diese Frage bis heute mit «Helmut Kohl» beantwortet. Er habe Probleme nicht durch kluges Handeln gelöst, heißt es, sondern durch hartnäckige Untätigkeit. «Bitte aussitzen, Herr Kohl!» betitelte der
Spiegel
im April 1989 einen Artikel «über die aktuellen Handlungsmöglichkeiten des Bundeskanzlers» und stellte abschließend fest: «Diesmal ist, bis zum Wahltag 1990 wenigstens, Aussitzen gefordert, Kohls hohe Kunst.» Die Formulierung von der «hohen Kunst» war natürlich abfällig gemeint. Aber ein wenig klingt darin bereits jene Form von Respekt an, der in späteren Einschätzungen Kohls immer mehr in den Vordergrund treten sollte. Im Jahr 2005 sagte der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch anläßlich des 75 . Geburtstags des Altkanzlers: «Tagespolitischer Opportunismus und Wankelmütigkeit waren nicht sein Ding. Was mit dem Wort ‹Aussitzen› polemisch kritisiert wurde, war in Wirklichkeit die Kunst Helmut Kohls, Wichtiges von etwas weniger Wichtigem zu unterscheiden.» So kann sich die Einschätzung unserer Person also im Laufe der Jahre wandeln – wir müssen nur lange genug dem Nichthandeln treu bleiben.
    Deutlich leichter gewinnt ein anderer Menschentyp die Sympathien der Kommentatoren. Der Kampfruf «Yes, we can!» mag gelitten haben, aber der optimistische Slogan aus dem Wahlkampf von Barack Obama bringt nach wie vor jene Idealvorstellung auf den Punkt, die tief in den meisten von uns verwurzelt ist. Sie lautet: «Ja, wir schaffen das! Wir müssen nur etwas
tun
, am besten das Richtige.» Obwohl: Ganz so streng sind wir mittlerweile nicht mehr mit uns, hat sich doch die Überzeugung durchgesetzt, daß wir auch einmal das Falsche tun dürfen, weil wir aus Fehlern lernen können. An dem Ideal freilich, wir müßten ständig
aktiv
bleiben, um zu bestehen, ändert die Erlaubnis zum Fehlermachen nichts. Oder wie das der österreichische Künstler Gerald Brettschuh vor sehr vielen Jahren einmal formuliert hat: «Tun ist gut, wenn man tun tut.»
    Dabei haben wir ein gesetzlich garantiertes Recht aufs Nichtstun! Nun ja, es ist nicht im deutschen Grundgesetz festgeschrieben. Vielmehr müssen wir schon ein wenig suchen, bis wir es finden – aber zu finden ist es. Zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Urheberrecht. Im Oktober des Jahres 2008 hatte die Firma Google einen Vergleich mit dem US -Schriftstellerverband geschlossen. Danach wäre es der

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