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Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals

Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals

Titel: Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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Zeit zu Zeit aufsah, um ihn etwas zu fragen. Es war ein sonderbares Gefühl, zusammenzusitzen und sich zivilisiert zu verhalten, während sie einen Kriminalfall diskutierten, nicht ihre persönlichen Probleme.
    Gregory machte sich keine Illusionen darüber, dass der Entschluss seines Vaters, Ginnie zu vertreten, irgendein Hinweis darauf war, dass sich seine Einstellung gegenüber seinem Sohn geändert hatte. Das hier war Business, die Art von Business, bei der Milton Shaw aufblühte, und aus dem Grund hatte er sich zu einem vorübergehenden Waffenstillstand bereit erklärt.
    „Zuerst einmal müssen wir herausfinden“, sagte Milton, während er etwas auf einem gelben Block notierte, „welcher Fall zuerst verhandelt wird.“
    „Wird nicht üblicherweise der Fall zuerst verhandelt, der auch als Erster für ein Verfahren bereit ist?“
    Milton blickte auf. „Wie ich sehe, hast du doch das eine oder andere von deinem alten Herrn gelernt.“ Bevor Gregory sich entscheiden konnte, ob es sich um ein Kompliment oder um eine Beleidigung handelte, klopfte Milton bereits mit der Spitze seines Bleistifts auf den Block. „Weißt du, ob es einen nicht zugestellten Haftbefehl gegen Ginnie wegen des Mordes an Mario gibt?“
    Gregory versetzte sich im Geiste einen Tritt in den Hintern, weil er daran nicht gedacht hatte. „Ich weiß es nicht“, gab er zu. „Es sollte aber doch einen geben, oder?“
    „Bei alten Fällen haben Haftbefehle schon mal die Angewohnheit, verloren zu gehen.“
    „Kann ein Richter nicht einfach einen neuen Haftbefehl ausstellen?“
    „Sicher, aber das braucht seine Zeit. Die Polizei müsste den Fall praktisch komplett neu aufrollen und Zeugen befragen, von denen einige inzwischen fortgezogen oder gestorben sind. Und dann sind da die Beweise. Die Vorschriften sind sehr streng, was die lückenlose Beweiskette angeht. Um die Beweise vor jeglicher Manipulation zu bewahren, müssen sie in der Asservatenkammer untergebracht werden. Wenn auch nur ein Stück dabei in irgendeiner Weise manipuliert wird, hat der Fall vor Gericht keine Chance mehr.“
    „Also wird man Ginnie zuerst für den Mord an Sal anklagen.“
    „Ich denke schon. Es ist da einfacher, die Zeugen zu laden und Beweise zu sammeln, als bei einem alten Fall.“
    „Und was ist mit der Kaution? Denkst du, dass du sie rausholen kannst? Oder ist es schon zu spät, um an der Entscheidung noch was zu ändern?“
    Milton lächelte schwach, aber zuversichtlich. „Es ist nie zu spät. Ich muss nur den Bezirksstaatsanwalt davon überzeugen, dass die Anklage auf Totschlag reduziert wird.“
    „Kannst du das?“
    Milton sah ihn über den Rand seiner Brillengläser an. „Natürlich kann ich das.“
    Gregory lächelte. „Ich schätze, man nennt dich nicht umsonst den wortgewandten Fuchs.“
    „Woher weißt du, wie man mich nennt?“
    Gregory zuckte mit den Schultern. „Ich verfolge ab und zu deine Fälle.“
    Milton lehnte sich in seinem Sessel zurück, verzog aber weiterhin keine Miene. „Tatsächlich?“
    „Ich war letzte Woche im Gericht, um mir dein Schlussplädoyer im Schlitzer-Fall anzuhören.“
    Noch immer keine Reaktion. „Und wie denkst du darüber?“
    Gregory zögerte. Hätte er ihm gesagt, was er wirklich dachte, dann wäre der kleine Fortschritt zunichte gemacht worden, den er bislang erreicht hatte. „Es war ein brillantes Plädoyer“, sagte er wahrheitsgetreu. „Eine Geschworene kämpfte sogar gegen Tränen an.“
    Milton nickte. „Geschworene Nummer sechs. Ihretwegen dauerte die Beratung sechsundsiebzig Stunden, aber am Ende reichte ihr Mitgefühl nicht aus, um Freddy zu retten.“
    „Hätte er gerettet werden sollen?“ Die Frage war ihm entglitten, bevor er es merkte. Er verfluchte sich im Geist. Er und seine große Klappe.
    Wie erwartet reagierte Milton scharf: „Stellst du noch immer in Frage, dass jeder Mensch, auch ein Krimineller, verteidigt werden sollte? Dass er ein gerechtes Verfahren bekommen sollte?“
    Da ist sie wieder, dachte Gregory, die „Herausforderung“, wie er sie früher genannt hatte. Jetzt musste er nur auf die Herausforderung anspringen, und aus der zivilisierten Unterhaltung würde ein ausgewachsener Streit werden, ein verletzendes Wort würde das andere geben.
    Und diese Herausforderung war nicht so einfach zu ignorieren. Von dem Augenblick an, als Gregory darüber nachgedacht hatte, Rechtsanwalt zu werden, hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass brutale Kriminelle aller Rechte enthoben werden

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