Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
objektiv bleiben noch hinter Ginnie stehen kannst, dann halt verdammt noch mal die Klappe.“
„Augenblick mal, du kannst ...“
„Nichts da, Annie.“ Rachel zeigte mit dem Finger auf ihre Schwester. „Ich habe dich in dieses Gespräch einbezogen, weil du zur Familie gehörst, und das Mindeste, was ich von dir erwarte, ist, dass du mir im Gegenzug deine bissigen und unbegründeten Kommentare ersparst.“
Die Retourkutsche hatte gesessen. Mit hochrotem Gesicht verschränkte Annie die Arme vor der Brust und ließ sich wie ein schmollendes Kind in den Sessel zurücksinken.
„Was können wir machen?“ fragte Sam.
„Sag es bitte den Angestellten. Ich würde es ja selbst tun“, fügte sie mit einem leichten Seufzer an, „aber ehrlich gesagt, fühle ich mich im Moment nicht dazu in der Lage.“
Sam nickte. „Wird erledigt.“
Courtney kam zu ihr, Tränen standen ihr in den Augen. „Oh, Tante Rachel, es tut mir so Leid. Ich wusste ja, wie sehr du deine Mutter finden wolltest. Und jetzt das ...“
„Das wird schon wieder“, erwiderte Rachel und wünschte, sie könnte ihre eigenen Worte glauben. „Der Fall wird nicht mal zur Verhandlung kommen. Daran muss ich glauben.“
„Wer ist ihr Anwalt?“ fragte Tina.
„Jake Lindquist. Er ist ein Freund von Ambrose.“
„Ist er gut?“
Sie wischte eine Träne fort, die ihr gekommen war, obwohl sie mit eisernem Willen versuchte, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. „Ich hoffe es. Ambrose ist jedenfalls der Ansicht.“
„Wenn er so gut ist, warum sitzt deine Mutter dann immer noch hinter Gittern?“ Annie hatte die Frage gestellt, sie konnte nie für längere Zeit den Mund halten.
Rachel sah ihre Schwester lange nachdenklich an. „Ich weiß es nicht, Annie. Ich weiß es einfach nicht.“
Nachdem er Rachel auf dem Weingut abgesetzt hatte, war Gregory direkt nach Pacific Heights gefahren. Als er in die Presidio Avenue einbog, erinnerte er sich daran, dass er seit seinem letzten großen Streit mit Milton vor sechs Monaten keinen Fuß mehr in das Haus gesetzt hatte.
Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, was den Streit ausgelöst hatte, vermutlich waren es irgendwelche abfällige Bemerkungen von Milton gewesen. Innerhalb von wenigen Augenblicken war der Streit zu einer Beschimpfung eskaliert, und Gregory war aus dem Haus gestürmt, wobei er sich schwor, nie wieder dorthin zurückzukehren.
Herzukommen war eine dumme Idee, sagte sich Gregory unterwegs immer wieder. Reine Zeitverschwendung. Milton würde sich niemals dazu bereit erklären, Ginnie zu vertreten. Warum sollte er? Wann hatte er seinem Sohn zum letzten Mal einen Gefallen erwiesen? In der vergangenen Stunde waren ihm unzählige Gründe eingefallen, warum er nicht hätte herkommen sollen, aber nur ein einziger, der dafür sprach: Rachel.
Obwohl sie sich im Gericht tapfer geschlagen hatte, stand ihr die Verzweiflung im Gesicht geschrieben, als man ihre Mutter abführte. Der niedergeschlagene Eindruck bei einem so willensstarken Menschen hatte etwas in ihm auf eine Weise getroffen, die er nicht erwartet hatte.
Wie hätte er dabeistehen und nichts unternehmen können, wenn er wusste, dass er es konnte?
Doch dafür musste er nach Hause zurückkehren und das machen, was er sich geschworen hatte, dass er es niemals machen würde – seinen Vater um Hilfe bitten. Er stand vor der Tür des beeindruckenden Kolonialgebäudes, in dem er aufgewachsen war, und wartete darauf, dass Miltons ruhiger und tüchtiger Haushälter Niles die Tür öffnete. Als das geschah, konnte er auf dem sonst so teilnahmslosen Gesicht des Engländers plötzliche Freude ablesen.
„Mr. Shaw, welch angenehme Überraschung.“
„Guten Tag, Niles. Ist mein Vater da?“
„Ja, Sir. Er ist im Billardraum. Ich werde ...“
„Nicht nötig“, winkte Gregory ab. „Sie müssen mich nicht anmelden.“ Vermutlich musste er es doch, aber Gregory scherte sich nicht darum.
Der Billardraum, in dem sich sein Vater nach einem anstrengenden Fall ausruhte, hatte sich nicht verändert. Er wurde noch immer von einem großen antiken Billardtisch dominiert, über dem ein Tiffanyleuchter hing. Hinter dem Billardtisch stand der Kartentisch, an dem Milton und seine Freunde früher bei ihren Pokerpartien zusammengesessen hatten. Gregory hatte keine Ahnung, ob sie das immer noch machten.
Milton Shaw stand am Billardtisch, den Queue in der Hand, während er die Positionen der verbliebenen sieben Kugeln studierte. Er trug eine braune Hose, ein
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