Macht (German Edition)
seinem Pontifex. Der große Hildebrand selbst starb in der Verbannung. Er erwarb und übermittelte allerdings die Macht, selbst die größten Monarchen zu demütigen. Obwohl die unmittelbaren politischen Folgen Canossas Kaiser Heinrich IV. gelegen kamen, wurde es für die kommenden Jahrhunderte zum Symbol. Bismarck sagte während des Kulturkampfes: »Nach Canossa gehen wir nicht!«, aber er prahlte zu früh. Heinrich IV, der exkommuniziert worden war, brauchte die Absolution zur Verfolgung seiner Pläne, und Gregor, wenn er auch einem Reuigen die Absolution nicht versagen konnte, demütigte ihn, um ihn den Preis der Wiederversöhnung mit der Kirche zahlen zu lassen. Als Politiker konnten Männer vielleicht dem Papst Widerstand leisten, aber nur Ketzer stellten die Macht der Schlüssel in Frage, und nicht einmal Kaiser Friedrich II. auf der Höhe seines Kampfes mit dem Papsttum entschloss sich zur Ketzerei.
Gregors VII. Pontifikat war der Höhepunkt einer bedeutenden Periode kirchlicher Reformen. Bis zu diesem Tage war der Kaiser unbedingt dem Papst übergeordnet gewesen und hatte nicht selten die oberste Entscheidung bei seiner Wahl verlangt. Heinrich III., der Vater Heinrichs IV., hatte Gregor VI. wegen Simonie abgesetzt und einen Deutschen, Clemens II., zum Papst gemacht. Heinrich III. lag keineswegs mit der Kirche im Streit; er war im Gegenteil ein heiliger Mann, mit den frömmsten Kirchenleuten seiner Zeit im Bunde. Die von ihm unterstützte und von Gregor VII. zum Siege geführte Reform war im Wesentlichen gegen die Tendenz der Kirche gerichtet, dem Feudalismus zu verfallen. Könige und Edelleute ernannten Erzbischöfe und Bischöfe, die im Allgemeinen selber der Feudalaristokratie angehörten, und betrachteten ihre eigene Stellung von einem sehr weltlichen Standpunkt aus. Im Reich waren die wichtigsten Männer nach dem Kaiser ursprünglich Beamte gewesen, die Ländereien dank ihrer offiziellen Stellung besagen, aber gegen Ende des elften Jahrhunderts waren sie erblicher Adel geworden, deren Besitztümer sich weiter vererbten. Die Gefahr einer ähnlichen Entwicklung in der Kirche war gegeben, besonders unter den niederen Schichten der Laiengeistlichen. Die Partei der Reformer in der Kirche griff die verwandten Übel der Simonie und des Konkubinats an (so nannte sie die Heirat der Priester). Die Reformer zeigten in der Durchführung ihrer Kampagne Eifer, Mut, Ergebenheit und viel weltliche Weisheit. Ihre Heiligkeit sicherte ihnen die Unterstützung der Laien, und durch ihre Beredsamkeit gewannen sie ursprünglich feindliche Versammlungen für ihre Sache. St. Peter Damian rief zum Beispiel in Mailand im Jahre 1058 die Priesterschaft auf, den reformerischen Anweisungen Roms zu gehorchen; zunächst rief er damit einen solchen Grimm hervor, dass sein Leben in Gefahr war, aber schließlich setzte er sich durch, und man fand, dass jeder Mailänder Priester, vom Erzbischof angefangen, sich der Simonie schuldig gemacht hatte. Alle beichteten und versprachen für die Zukunft Gehorsam. Sie wurden daraufhin nicht ihrer Ämter enthoben, aber es wurde ihnen klargemacht, dass Verfehlungen in Zukunft mitleidslos bestraft werden würden.
Das kirchliche Zölibat gehörte zu Hildebrands Sorgen. Indem er es erzwang, verpflichtete er die Laien, die sich oftmals brutaler Grausamkeit gegenüber Priestern und ihren Frauen schuldig machten. Die Kampagne war natürlich kein voller Erfolg – bis zu diesem Tage hat sie sich in Spanien nicht durchgesetzt –, aber eines ihrer Hauptziele wurde durch das Dekret erreicht, dass Priestersöhne nicht geweiht werden konnten, was verhinderte, dass das örtliche Priestertum erblich wurde.
Einer der größten Siege der Reformbewegung war die Festlegung der Methoden der Papstwahl durch den Erlass vom Jahre 1059. Vor diesem Erlass hatten der Kaiser und der römische Pöbel gewisse wenig bestimmte Rechte, die Schismen und umstrittene Wahlen häufig machten. Der neue Erlass setzte es durch – allerdings nicht sogleich und nicht kampflos –, dass das Wahlrecht den Kardinälen übertragen wurde.
Diese Reformbewegung, die die zweite Hälfte des elften Jahrhunderts erfüllte, vermochte in erheblichem Maße Äbte, Bischöfe und Erzbischöfe vom Feudaladel zu trennen und dem Papst bei ihrer Ernennung eine Stimme zu verschaffen – denn wenn er keine Stimme bekommen hätte, konnte er meistens eine Beeinflussung durch Simonie vornehmen. Das beeindruckte die Laien und vergrößerte ihre Verehrung für die
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