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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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predigte apostolische Armut und weltumfassende Liebe, aber innerhalb weniger Jahre nach seinem Tode wirkten seine Jünger als werbende Feldwebel in einem heftigen Krieg, der den Besitz der Kirche verteidigen sollte. Der Kaiser wurde zu einem großen Teil geschlagen, weil er nicht vermochte, seine Sache in das Gewand von Frömmigkeit und Moralität zu hüllen.
    Gleichzeitig ließen die von den Päpsten während dieses Kampfes angewendeten Kriegsmaßnahmen viele Menschen aus moralischen Gründen dem Papsttum gegenüber kritisch werden. Über Innozenz IV., den Papst, mit dem Friedrich um die Zeit seines Todes im Kampf lag, sagt die Cambridge Medieval History (Bd. VI, S. 176):
    »Seine Auffassung vom Papsttum war weltlicher als die irgendeines anderen Papstes vor ihm. Er betrachtete seine Schwäche als politische, und seine Gegenmittel waren politischer Art. Er benutzte ständig seine geistliche Macht, um Geld zusammenzubringen, Freunde zu kaufen, Feinden zu schaden, und erweckte durch seine Skrupellosigkeit überall Feindschaft ohne Achtung gegen das Papsttum. Seine Handlungsweise war skandalös. Im Widerspruch zu seinen geistlichen Pflichten und zum Landesrecht gebrauchte er die Einkünfte der Kirche als päpstlichen Gewinn und Mittel politischer Belohnung: vier päpstliche Kandidaten warteten einer nach dem anderen auf einen Vorteil. Schlechte Ernennungen waren eine natürliche Folge dieses Systems; und weiterhin waren zu Kriegs-und diplomatischen Zwecken ausgesuchte Gesandte viel eher von völlig weltlichem Wesen als nicht ... Des Verlustes an Prestige und geistlichem Einfluss, den er verursachte, war sich Innozenz nicht im Mindesten bewusst. Er hatte gute Absichten, aber keine guten Grundsätze. Mit Mut, unbesieglicher Entschlossenheit und Schlauheit begabt, wurde seine kalte Gelassenheit selten durch Katastrophen oder Glück erschüttert, und geduldig verfolgte er seine Ziele mit verschlagener Treulosigkeit, die die kirchlichen Sitten lockerte. Sein Einfluss auf die Ereignisse war gewaltig. Er zerstörte das Reich; er lenkte das Papsttum auf die Bahn des Verfalls; er formte das Geschick Italiens.«
    Der Tod Innozenz IV. ergab keinen Wechsel in der päpstlichen Politik. Sein Nachfolger Urban IV. führte den Kampf gegen Friedrichs Sohn Manfred mit großem Erfolg weiter und gewann die Unterstützung des noch wachsenden italienischen Kapitalismus, überall dort, wo er schwankte, durch einen interessanten Gebrauch seiner Autorität in moralischen Angelegenheiten, was ein klassisches Beispiel für die Umformung von propagandistischer in wirtschaftliche Macht darstellt. Die meisten Bankiers waren bereits, infolge ihrer beträchtlichen Transaktionen beim Zusammenbringen der päpstlichen Revenue, auf der Seite des Papstes, aber in einigen Städten, wie etwa in Siena, war die ghibellinische Stimmung so stark, dass die Bankiers zunächst sich auf die Seite Manfreds stellten. Wo dies geschah, wurden die Schuldner der Bank vom Papst unterrichtet, es sei ihre Christenpflicht, nicht ihre Schulden zu bezahlen, welcher Aufforderung als einer autoritativen die Schuldner bereitwillig nachkamen. Siena verlor als Folge den englischen Handel. In ganz Italien waren die Bankiers, die dem Ruin entkamen, durch dieses päpstliche Manöver gezwungen, Welfen zu werden (7) .
    Solche Mittel konnten zwar dem Papst die politische Unterstützung der Bankiers sichern, kaum aber ihre Achtung für den päpstlichen Anspruch auf göttliche Autorität stärken.
    Die ganze Zeit vom Fall des westlichen Reiches bis ans Ende des sechzehnten Jahrhunderts kann als Wettstreit zwischen zwei Traditionen betrachtet werden: der des kaiserlichen Roms und jener der teutonischen Aristokratie, von denen die erstere in der Kirche, die letztere im Staat verwurzelt war. Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches versuchten, die Tradition des imperialen Roms zu übernehmen, was ihnen misslang. Sie waren, mit Ausnahme Friedrichs II., zu unwissend, um die römische Tradition zu verstehen, während die politische Einrichtung des Feudalismus, die ihnen vertraut war, germanischen Ursprungs war. Die Sprache der Gebildeten – jene eingeschlossen, die den Kaisern dienten war pedantisch von den Alten übernommen worden. Das Recht war römisch, die Philosophie griechisch, aber die Gebräuche, die teutonischen Ursprungs waren, waren nicht so beschaffen, dass man sie in wohlerzogener Rede erwähnen konnte. Es gab ähnliche Schwierigkeiten, wie sie heute ein Student der Klassik

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