Macht (German Edition)
wurde er zum Tyrannen. Die Geschichte berichtet allerdings nicht, dass die Armen und Niederen irgendeinen Vorteil davon hatten. Zwar beschlagnahmte er die Güter der Reichen, aber es war seine Leibgarde, der er sie gab. Seine Volkstümlichkeit schwand bald dahin, nicht aber seine Macht. Einige Seiten weiter finden wir folgende Worte Grotes:
»Da er mehr als je zuvor fühlte, dass seine Herrschaft die Einwohner von Syrakus abstieß und nur auf nackter Gewalt beruhte, schützte er sich durch Vorsichtsmaßregeln, wie sie in dieser Stärke wohl kein anderer griechischer Despot je getroffen hatte.«
Die griechische Geschichte wird durch den besonderen Umstand gekennzeichnet, dass mit Ausnahme von Sparta der Einfluss der Tradition in Griechenland außerordentlich gering war; dazu kam, dass es beinahe keine politische Moral gab. Herodot stellt fest, dass kein Spartaner einer Bestechung widerstehen konnte. In ganz Griechenland war es zwecklos, einem Politiker entgegenzutreten, weil er vom König von Persien Bestechungen annahm, denn seine Gegner taten dasselbe, sobald sie mächtig genug waren, kaufwürdig zu sein. Das Ergebnis war eine allgemeine Rauferei um persönliche Macht, die mit den Mitteln der Korruption, des Straßenkampfes und des Mordes geführt wurde. Bei diesem Geschäft zählten die Freunde des Sokrates und des Plato zu den Hemmungslosesten. Das Endresultat war, wie vorauszusehen, die Unterjochung durch ausländische Mächte.
Man hat üblicherweise den Verlust der griechischen Unabhängigkeit beklagt und alle Griechen als Solons und Sokratesse betrachtet. Wie wenig Grund bestand, den Sieg Roms zu bedauern, ist aus der Geschichte des hellenischen Sizilien ersichtlich. Ich kenne kein besseres Beispiel für nackte Gewalt als die Laufbahn des Agathokles, eines Zeitgenossen Alexanders des Großen, der von 361 bis 289 vor Christi Geburt lebte und während der letzten achtundzwanzig Jahre seines Lebens Tyrann von Syrakus war.
Syrakus war die größte griechische Stadt, vielleicht die größte Stadt am Mittelländischen Meer. Ihre einzige Rivalin war Karthago, mit welcher Stadt es immer Krieg gab, ausgenommen eine kurze Zeit nach einer schweren Niederlage der einen oder anderen Partei. Die übrigen griechischen Städte in Sizilien standen manchmal auf der Seite von Syrakus, manchmal auf der Karthagos, je nach der Richtung, die die Parteipolitik einschlug. In jeder Stadt begünstigten die Reichen die Oligarchie und die Armen die Demokratie; wenn die Parteigänger der Demokratie siegten, machte ihr Führer gewöhnlich sich selbst zum Tyrannen. Viele von der geschlagenen Partei gingen ins Exil und stießen zu den Heeren jener Städte, in denen ihre Partei an der Macht war. Aber die Masse der Streitkräfte bestand aus meist nicht-hellenischen Söldnern.
Agathokles (10) war ein Mann von niederer Abstammung, der Sohn eines Töpfers. Seiner Schönheit wegen wurde er der Favorit eines reichen Syrakusers mit Namen Demas, der ihm all sein Geld vermachte und dessen Witwe er heiratete. Nachdem er sich im Kriege ausgezeichnet hatte, glaubte man, er erstrebe die Tyrannei; infolgedessen wurde er verbannt, und es wurde angeordnet, dass er auf seiner Reise ermordet werden sollte. Da er dies jedoch vorausgesehen hatte, wechselte er mit einem Armen die Kleider, der fälschlich von den gemieteten Mördern getötet wurde. Agathokles sammelte hierauf im Innern von Sizilien ein Heer, was die Syrakuser so erschreckte, dass sie mit ihm einen Vertrag schlossen: Er wurde wieder aufgenommen und leistete im Tempel der Ceres den Eid, dass er nichts zum Schaden der Demokratie unternehmen würde.
Die Regierung von Syrakus scheint zu dieser Zeit eine Mischung von Demokratie und Oligarchie gewesen zu sein. Es gab einen Rat der Sechshundert, der aus den reichsten Leuten bestand. Agathokles nahm sich der Sache der Armen gegen diese Oligarchen an. Im Lauf einer Unterredung mit vierzig von ihnen stachelte er die Soldaten auf und ließ alle vierzig ermorden, indem er behauptete, man habe einen Anschlag gegen ihn geplant. Darauf führte er das Heer in die Stadt und befahl ihm, die Häuser der Sechshundert zu plündern. Dies geschah, und außerdem massakrierte man Bürger, die aus ihren Häusern kamen, um zu sehen, was da geschehe; schließlich wurde eine große Anzahl um der Beute willen ermordet. Wie Diodorus sagt: »Ja, die in die Tempel, unter den Schutz der Götter flüchteten, selbst sie waren nicht sicher; sondern die Frömmigkeit gegen die
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