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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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zerstörende Verbrechen vermeidet, sobald Tugend nicht mehr Erfolg bringt. Eine lange Reihe von Kriegen verringerte die freie Bevölkerung und vergrößerte die Anzahl der Sklaven. Das eigentliche Griechenland geriet schließlich unter die Herrschaft Mazedoniens, während das hellenische Sizilien trotz immer heftigeren Revolutionen, Bürgerkriegen und Tyranneien fortfuhr, gegen die Macht Karthagos, später Roms zu kämpfen. Die Tyranneien von Syrakus verdienen unsere Aufmerksamkeit, weil sie sowohl eines der vollkommensten Beispiele für nackte Gewalt bieten als auch Plato beeinflussten, der mit dem älteren Dionys in Streit geriet und aus dem jüngeren einen Schüler zu machen suchte. Die Ansichten der späteren Griechen, wie überhaupt die Ansichten der folgenden Jahrhunderte über die griechischen Tyrannen im allgemeinen, waren zum großen Teil von den unglücklichen Beziehungen der Philosophen zu Dionys dem Älteren und seinen Nachfolgern in der Misswirtschaft von Syrakus beeinflusst.
    »Die Maschinerie des Betrugs«, sagte Grote, »durch die das Volk in eine zeitweilige Abhängigkeit gebracht werden sollte, als Vorstufe zur Maschinerie der Gewalt, welche diese Unterwerfung gegen den Willen der Menschen verewigen sollte – sie war das Kapital der griechischen Usurpatoren.« Ob die früheren Tyranneien ohne die Zustimmung des Volkes weiterregiert wurden, darf bezweifelt werden, auf die späteren Tyranneien, die mehr militärischer als wirtschaftlicher Natur waren, trifft das sicherlich zu. Man nehme zum Beispiel Grotes auf Diodorus beruhende Beschreibung des entscheidenden Augenblicks im Aufstieg von Dionysius dem Älteren. Das Heer von Syrakus hatte unter einem mehr oder weniger demokratischen Regime Niederlage und Schande erlitten, und Dionysius, der von den Anhängern hemmungslosen Krieges gewählte Anführer, verlangte die Bestrafung der geschlagenen Generäle.
    »Inmitten des Schweigens und der Unruhe, die in der Syrakuser Versammlung herrschten, war Dionysius der erste, der aufstand, um zu sprechen. Er behandelte ein Thema, das sowohl der Stimmung seiner Zuhörer als auch seinen eigenen Ansichten angepasst war. Mit Heftigkeit erklärte er, die Generäle hätten die Sicherheit von Syrakus an die Karthager verraten. Sie seien diejenigen, die die Verantwortung trügen für das Unglück Agrigents und für die Gefahr, die jedermann bedrohe. Er zählte ihre wirklich begangenen und vermeintlichen Missetaten nicht nur mit Vollständigkeit und Schärfe auf, sondern mit einer entfesselten Wut, die alle Grenzen rechtmäßiger Debatte überstieg, und er beabsichtigte, gesetzlosen Mord gegen sie anzustiften, ähnlich dem Tode, den kürzlich die Generäle in Agrigent erlitten hatten. »Da sitzen sie, die Verräter! Wartet nicht auf ein gesetzmäßiges Verfahren oder Urteil, legt sogleich Hand
    an sie und übt an ihnen summarische Justiz.« Eine solche brutale Hetze beleidigte sowohl Gesetz wie parlamentarische Ordnung. Die vorsitzenden Stadträte tadelten Dionysius als einen Störenfried der öffentlichen Ordnung und legten ihm, wie sie vom Gesetz ermächtigt waren, eine Geldstrafe auf. Aber seine Parteigänger zollten ihm lauten Beifall. Philistus zahlte nicht nur auf der Stelle seine Geldstrafe, sondern erklärte öffentlich, dass er den ganzen Tag hindurch alle ähnlichen Strafen zahlen würde, die verhängt werden würden. Er stachelte Dionysius auf, in der Weise fortzufahren, die ihm angebracht zu sein schien. Was als Verstoß gegen das Gesetz begonnen hatte, wurde nun zur offenen Herausforderung. Aber die Autorität des Rates war schon so weit geschwächt, und so laut erhob sich der Ruf in der gegenwärtigen Lage der Stadt gegen ihn, dass er unfähig war, den Sprecher zu bestrafen oder zum Schweigen zu bringen. Dionysius setzte seine Rede in noch aufwühlenderem Ton fort, indem er nicht allein die Generäle anklagte, Agrigent verraten zu haben, sondern auch die führenden und reichen Bürger im allgemeinen als Oligarchen, die tyrannische Neigungen hätten, die Menge mit Verachtung behandelten und ihren eigenen Gewinn aus dem Unglück der Stadt schlügen. Syrakus, behauptete er, könne niemals gerettet werden, wenn man nicht Männern von ganz anderer Art die Führung übertrage, Männern, die nicht nach Wohlstand oder Herkunft bestimmt seien, sondern solchen von niederer Abstammung, die zum Volke gehörten und die in ihrer Aufführung ohne Tadel seien, weil sie der eigenen Schwäche bewusst wären.« (9)
    Und so

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