Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
Aber doch eine institutionelle Macht, die nicht automatisch übergeht auf Personen. Zumindest nicht, wenn man ist wie er. Der Röbel ist einer, »der auf der Seite der Davids steht, schon zu Schulzeiten der einzige Stones-Fan unter neunundzwanzig Beatles-Anhängern«.
Natürlich haben die Einflussreichen des Landes auch ihn umgarnt, als er Bild -Chef war. Gerhard Schröder zum Beispiel, der sei ein ganz Schlauer. »Der machte auf Kumpel«, lud ihn zum Essen ein, als er gerade mal zwei Tage Chefredakteur war. Und nach einer weinseligen Nacht auch zu seiner Hochzeit. »Schröder war ein netter Kerl, ein Rock-’n’-Roller wie ich.« Zur Hochzeit ist er trotzdem nicht gegangen. »Im Gegensatz zu allen anderen Chefredakteuren.«
Gebraucht hätte es diese Einwicklungsversuche sowieso nicht. Das Volk war des Kanzlers Kohl längst überdrüssig und »wir hätten uns lächerlich gemacht, wäre Bild noch mal für Helmut Kohl ins Feld gezogen«. Boulevard ist eine Hure, sagt er dann, sie rennt dem Trend hinterher. Der Trend war Gerhard Schröders Freund im Jahr 1998. Trotzdem hätten die Machtzirkel im Hintergrund behände weiter zirkuliert. Hätten Helmut Kohl und sein Vertrauter Leo Kirch unermüdlich ihre letzten Gefechte gefochten. Auch gegen ihn, glaubt er: »Der Röbel war für diese Leute ein unsicherer Kantonist.«
Die Rolle des Störenfriedes mimt er mit Genugtuung. Das war doch ehrenwert, lässt er ungesagt. Aber dass er Bild zu einem besseren Image verholfen habe mit seiner progressiven Haltung und der Langhaarfrisur. »Dem besten aller Zeiten.« Und das nach der abgrundtiefen Wallraff-Erschütterung. Irgendwann hat ihn eine Burda-Zeitung zum erotischsten Chefredakteur gewählt, druckst er ein bisschen um seinen Stolz herum, auf dem Foto sei er aber auch wirklich ansehnlich gewesen. Unheimlich war es ihm trotzdem.
So, wie die prätentiösen Veranstaltungen und all die Rituale der Mächtigen und Machtaspiranten, die Signale der Rangakzeptanz, »Kreti und Pleti« müssten durch Säle streunen, um Ansprechpartner zu finden und Visitenkarten zu verteilen. Wie ein Fischschwarm auf der Suche nach Nahrung. »Wenn Sie Raubfisch sind, dann brauchen Sie nicht ausschwärmen, dann kommen alle zu Ihnen.« Auch als er umschwärmt wurde, ist er lieber in seine Stammkneipe gegangen und hat für den Rest der Nacht Musik gemacht. Dort waren alle Teile der gleichen Band. Aber genossen hat er die Raubfisch-Zeit insgeheim schon, wenn er ehrlich ist. Zu lang ist er Teil des Schwarms gewesen.
Ob er seine Brüche kennt, der David-Freund, der Goliaths Geschichten schrieb? Er war gern Bild -Chef. »Der Röbel hat ein Maß an Eitelkeit«, wiederholt er. Aber er hatte immer ein gesundes Misstrauen, auch sich selbst gegenüber. Mit den Zweifeln blieb er an der Spitze allein. Und auch mit seiner Angst vor Fehlern. »Ich wollte mir keine Blöße geben.« Nicht mal vor seiner Frau, die ohnehin nicht begeistert davon war, dass »der Alte« Chef der Bild -Zeitung ist. Die beste Therapie gegen die eigene Unsicherheit war die Größe der Buchstaben.
Große Buchstaben, da kommt er immer wieder auf Sebnitz zu sprechen, diese Geschichte des kleinen Jungen, der in einem Schwimmbad im sächsischen Ort Sebnitz ertrunken ist. Bild hatte getitelt, er sei von einer Gruppe halbwüchsiger Neonazis ermordet worden. Röbel hat das getitelt, da duckt er sich nicht. Und damit »die ganze Republik in Aufregung gestürzt«. Diesen Fehler, den hat er nicht überwunden, sagt er, das sei anders als Gladbeck. »Gladbeck habe ich verpackt.«
Die »Schwangerschaft« mit Namen Sebnitz trägt er seit dem Jahr 2000 mit sich herum, dem Jahr vor seiner Ablösung als Chefredakteur. Irgendwie hänge das zusammen. Er wusste schon früh, dass er weggelobt werden sollte, er hatte einfach keine Lobby im Haus. Also hat er noch ein Zeichen setzen wollen, gegen die »erzkonservative Richtung«, die der Verlag mit der Wahl seines Nachfolgers einzuschlagen versprach. Da hat er emotional entschieden und das unerlässliche Fragezeichen in der Überschrift weggelassen. Das hätte nicht passieren dürfen, auch wenn er sich auf der sicheren Seite fühlte, als nach monatelanger Untersuchung Haftbefehle gegen drei Jugendliche mit angeblich rechtsradikalem Hintergrund erlassen wurden. Ein Desaster sei das gewesen, als sich herausstellte, dass sich die Beschuldigten zur Tatzeit in einem anderen Teil des Landes aufgehalten haben. Und die Buchstaben falsch und viel zu groß waren. Auch wenn
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