Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
alle »mitgeritten sind auf der Welle«, der bis dato unbekannte Ort von internationalen Medienleuten belagert und tagelang Sondersendungen ausgestrahlt wurden. »Diese Falschmeldung ist meine schwerste Niederlage«, gibt er zu, und ich lasse die Frage ungestellt, ob er auch etwas Erhabenes daran fand, auf diese Weise für Aufsehen zu sorgen, einfach weil er die Macht dazu hatte. Eine Aufwertung seines Selbstwertgefühls. Diese Antwort ist noch nicht reif, auf die Welt gebracht zu werden.
Der Abschied war kurz und schmerzlos. Im Hintergrund verfestigten sich die Zeichen, die er längst schon gedeutet hatte. Die Degradierung seines Mentors und die Inthronisierung neuer Leute, auf deren Wellenlänge er sich nie sah, waren unmissverständliche Indizien für eine veränderte Ausrichtung. Er hat stillgehalten und weitergemacht, nach dem spektakulärsten Aufmacher und der brillantesten Schlagzeile gesucht, jeden Tag. Truppen baute er keine auf, um gegen das Unvermeidliche zu strampeln: »Machtspielchen waren meine Sache nicht.«
Irgendwann in den Wochen der reifenden Erkenntnis hat ihn der Vorstandsvorsitzende des Verlages zum Essen eingeladen und das Erwartete ohne Umschweife verkündet: Der Diekmann mache das übrigens jetzt. Er hingegen solle Online-Chef werden, eine neue Bild -Welt aufbauen. Die Zukunft des Verlages läge ohnehin im Internet. Und so weiter. Udo Röbel hat geschluckt, aber die Contenance gewahrt. In einer Stunde würde die Pressemitteilung rausgehen. »›Mach eine Redaktionskonferenz und verkünde den Wechsel‹, hat der zur mir gesagt«, erzählt er von seinem beiläufigen Rausschmiss: »und dann hat er mich gefragt, ob ich noch einen Nachtisch will«. Hart sei diese Situation gewesen, aber er hat die Zähne zusammengebissen, wollte keine Regung zeigen, als er vor seine Mannschaft trat. Wenn es ihm ganz weh wird, könne er eiskalt sein, auch wenn alles in ihm aufbegehrt. Die Gesichter habe er sich ganz genau angeschaut. Er wusste, was über ihn geredet werden würde, wenn er nicht mehr da ist. Dass »diejenigen sagen werden, der Röbel konnte es nicht, die mir vorher die Füße geküsst haben«.
Das Ende hat ihn an einer empfindlichen Stelle getroffen: »Sie wissen, meine Abhängigkeit von Anerkennung.« Er sagt, das Röbel-Kind sei empfindlich getroffen gewesen. Bild -Online-Chef ist eben nicht Bild -Chef. Überhaupt ist nichts wie Bild -Chef. Aber er hat sich eingelassen und wirklich für eine Zeit an die Stärke des Internets geglaubt, damals zur Hochzeit der New Media-Blase. Und wenn er ganz aufrichtig ist, räumt er ein, sei er auch »überthrillt« gewesen, nach dreißig Jahren Boulevard: »Da hatte eine Ermüdung eingesetzt, psychisch und physisch«.
Den »Thrill« hat er dann noch mal kurz gespürt, als er gesehen hat, was »abging« in der Internetbranche. Aus Geldgeilheit, gibt er zu. Bild .de hatte den Börsengang und er die lukrativen Aktienoptionen vor Augen: »Em-TV wäre ein Dreck dagegen gewesen.« Bild .de zog nach Berlin, vis-à-vis der großen Schwester. Er sollte der größte Konkurrent von Bild und damit seines Nachfolgers werden. »Ihr müsst euch hassen«, verkündete der neue Springer-Vorstand seine Vorstellung von erfolgreicher Unternehmenskultur.
Dann platzte die Blase und mit ihr alle glorreichen Pläne. Gesagt hat ihm das keiner. Er habe noch Verhandlungen mit Bewerbern geführt, als sämtliche Budgets längst gestrichen waren. »Dann saß ich da«, im Anblick des Debakels und vieler einstürzender Träume. Gewinnspiele solle er akquirieren und andere Sachen, die Rendite bringen. Er, der Reporter von der Straße. Der Dichter der Davids. »Da habe ich die Sollbruchstelle gesucht. Der Röbel ist keiner, der sich verbiegt.«
Er schaut jetzt ganz selig drein, da wir die Biographie beinahe durchgearbeitet haben. Natürlich könnte er noch so viel mehr erzählen. Auch über Raubfische und Schwarmtiere. Von den Mutationen und den Gesetzmäßigkeiten im Teich. Aber er sei großzügig abgefunden worden. Mit warmen Worten und einem generösen Autorenvertrag. Er ist »fein mit Springer«. Sie haben ja auch Mut gehabt, einen mit seiner Geschichte zum Bild -Chef zu machen. Ob er es auch ohne Gladbeck geworden wäre? Er denkt schon. In jedem Fall hat diese Sache seine Laufbahn gebrandmarkt. Aber Bild -Chef sei er vor allem geworden, weil es eben ein Vakuum gegeben hat. Und als wichtigster Springer-Journalist erntet man ja auch nicht nur Lorbeeren. Sie haben sich also vielleicht
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