Macht Musik schlau?
Texten und in den Literaturverzeichnissen durchaus seriöse Werke erscheinen; dies ist sogar notwendig, um den eben nicht wissenschaftlichen Gehalt der anderen Angaben zu kaschieren. Was durchgängig fehlt, ist die kritische Begleitungdurch unabhängige Forscher, wie dies im Wissenschaftssystem üblich ist.»
(Lukesch, 2000). Aufgrund dieser Probleme werde ich die in solchen Publikationen referierten Arbeiten, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Musik und Lernen beschäftigen, getrennt bzw. gesondert nach ihrer wissenschaftlichen Qualität behandeln.
5.2
Ergebnisse aus dem Journal of the Society for Accelerative Learning and Teaching
Wie schon dargestellt, spielt die Musik in der Suggestopädie eine bedeutende Rolle. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass in der Zentralzeitschrift der
Society for Accelerative Learning and Teaching
dieses Thema ausgiebig behandelt wird. In dieser Zeitschrift (Journal of the Society for Accelerative Learning and Teaching) erschien 1993 ein, wenn auch unvollständiger, Ãbersichtsartikel, in dem einige Arbeiten zu diesem Thema zusammengefasst wurden (Felix, 1993). Im Rahmen dieser Ãbersichtsarbeit wird noch einmal kurz der «theoretische Hintergrund» 31 für das Verwenden von Musik für Lern- und Gedächtnisprozesse erläutert. Die Autorin betont dabei, dass ein wesentlicher Bestandteil der von Losanow begründeten Suggestopädie die systematische Nutzung von Musik im Unterricht sei. Hierbei wird die Musik während bestimmter Unterrichtseinheiten präsentiert, in denen die Lehrer vor dem Hintergrund der Musikpräsentation das Lernmaterial vermitteln. Konkret bedeutet dies, dass die Lehrer ihren Unterricht während der Präsentation von Hintergrundmusik gestalten sollen. Ganz besonders günstig soll sich klassische Musik (Barockmusik) und ganz speziell Händels «Wassermusik» auswirken. Der Grund, dass gerade diese Musik lernfördernd sei, wird mit der bihemisphärischen Hirnaktivierung angegeben, die quasi durch das Hören von Barockmusik «erzwungen» wird. In seinen eigenen wissenschaftlichen Arbeiten berichtet Losanow, dass beim Hören von Barockmusik eine Zunahmeder Alphafrequenz im Elektroenzephalogramm sowie eine Abnahme des Blutdrucks und der Herzfrequenz gemessen werden könne. Da dieses Aktivitätsmuster in der Regel im Zusammenhang mit «entspannter Aufmerksamkeit» (engl.:
relaxed alertness
) auftritt, ging er davon aus, dass die Barockmusik eine «entspannte Aufmerksamkeit» hervorrufe. Dieser Zustand sei für das Lernen günstig. Während dieser Teil seiner Grundannahmen durchaus plausibel ist, ist der zweite Grund für die Verwendung von Musik beim Lernen schon problematischer. Losanow behauptet, dass durch Barockmusik das sogenannte
Whole Brain Learning
(deutsch so etwas wie «Gesamtgehirnlernen») induziert würde. Er glaubte, dass durch das Hören der Musik beide Hirnhemisphären simultan aktiviert würden, was letztlich den Lern- und Erinnerungsvorgang effektiver gestalten würde. Wie ich in Kapitel 7 noch darstellen werde, ist dieses neuropsychologische Argument sehr fragwürdig, denn dieses simple Hirnaktivierungsmuster wird nicht nur durch klassische Musik hervorgerufen. Aktivierungen beider Hirnhälften finden wir bei vielen unterschiedlichen Denktätigkeiten. Losanow bemüht in Ermangelung wissenschaftlicher Beweise historische Anekdoten, wonach bereits die Griechen Musik oder Musikelemente zum Lernen von Wörtern und Versen verwendet haben sollen.
Es ist vielmehr so, dass in Abhängigkeit der Vorerfahrung, des gewählten Hörzugangs, der Persönlichkeit und der Stimmung des Hörenden ganz unterschiedliche Hirnaktivierungsmuster festzustellen sind. Viel entscheidender ist zudem, dass gerade klassische Musik nicht durchgängig immer das gleiche Hirnaktivierungsmuster hervorruft, sondern da sich die Tempi, Melodien, Lautstärke, Rhythmen und evozierte Stimmung ständig ändern, ändern sich auch die Aktivierungsmuster. Zudem ist der Zusammenhang zwischen beidseitiger Hirnaktivierung und besserem Lernen überhaupt nicht belegt und meines Wissens auch nie in einem seriösen wissenschaftlichen Artikel beschrieben worden. Soviel zu den spekulativen Annahmen von Losanow und der von ihm begründeten Suggestopädie. Aber wie sehen die Befunde aus, die aus der «Nähe» zur Suggestopädie berichtet werden?
Die
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