Macht Musik schlau?
Gedächtnis für Musikstücke) erhalten geblieben zu sein scheint. Er konnte auch noch Tonleitern auf seinem Klavier spielen. Es war ihm jedoch völlig unmöglich, nach Noten Klavier zu spielen. Es gelang ihm auch nicht, selbst kleinere Musikstücke aus dem Gedächtnis auf dem Klavier zu spielen, was darauf hinweist, dass er sein Musikgedächtnis nur für die Wahrnehmung, nicht aber für die motorische Umsetzung nutzen konnte. Interessant ist auch, dass er einen Ton, den man ihm vorsagte, aufschreiben, ja sogar auf dem Klavier spielen konnte. Wenn er allerdings versuchte zu komponieren, kostete ihn das unsägliche Mühe und Zeit. Maurice Ravel konnte Musik zwar noch wahrnehmen, beurteilen und sich vorstellen, seine Produktionsleistungen waren jedoch erheblich eingeschränkt. Das Interessante für unsere Betrachtungsebene ist, dass hier zum Ausdruck kommt, wie bei einem Komponisten verschiedene psychische Funktionen ineinandergreifen müssen, um auÃergewöhnliche musikalische Leistungen hervorzubringen. Diese Leistungen werden von beiden Hemisphären erbracht, wobei auch Funktionsmodule daran beteiligt sind, die für die Sprache, das Schreiben und vielleicht auch andere Funktionen benutzt werden. Es deutet vieles darauf hin (wie bereits im Zusammenhang mit den Befunden von Bhattacharya und Petsche erwähnt), dass bei Musikern das Gehirn in einer bemerkenswert vernetzten Art und Weise an der Erzeugung und Wahrnehmung von Musik beteiligt ist. Diese spezielle Form der Vernetzung und Anbindung von musikalischen Funktionen mit anderen Funktionen sind man auch an besonderen und seltenen Formen der Amusie.
8.3
Zusammenfassung
â    Das Gehirn besteht aus zwei Hirnhemisphären, die keine spiegelbildlichen Duplikate sind. Genaue anatomische Analysen haben ergeben, dass einige Hirngebiete sich im Hinblick auf Form und GröÃe zwischen beiden Hemisphären deutlich unterscheiden.
â    Es ist bekannt, dass beide Hirnhemisphären nicht jede psychische Funktion gleich effizient verarbeiten. Dieses Phänomen wird als funktionelle Hemisphärenasymmetrie oder funktionelle Lateralisierung bezeichnet. Lange galt in der Neurologie und Neuropsychologie derGrundsatz, dass Sprache und Musik von den beiden Hirnhemisphären unterschiedlich verarbeitet werden. So gilt bis heute, dass bei den meisten Rechtshändern linksseitige Hirnstrukturen (also Hirngebiete in der linken Hemisphäre) für das Sprechen, Sprachverstehen und das Sprachgedächtnis vorwiegend verantwortlich sind. Gleichzeitig ging man lange davon aus, dass quasi komplementär rechtsseitige Hirnstrukturen vorwiegend Funktionen beherbergen, die Musikwahrnehmung und Musikproduktion unterstützen.
â    Dieses einfache Hemisphärenasymmetriemuster (rechte Hemisphäre = Musikverarbeitung und linke Hemisphäre = Sprachverarbeitung) konnte in differenzierten Untersuchungen nicht eindeutig belegt werden. So konnte gezeigt werden, dass erfahrungsabhängig unterschiedliche Hirngebiete in die Verarbeitung unterschiedlicher Musikreize eingebunden werden. Insbesondere Musiker weisen von der Norm abweichende funktionelle Hemisphärenasymmetrien auf.
â    Bei Musikern kann häufig festgestellt werden, dass sie Musik auch in jenen Hirngebieten verarbeiten, die eigentlich mit der Sprachverarbeitung betraut sind.
â    Gegenwärtig wird vorgeschlagen, dass an der Verarbeitung von Musikinformationen ein verteiltes, viele Hirngebiete umfassendes, neuronales Netzwerk beteiligt ist.
â    Bei bestimmten Erkrankungen des Gehirns treten motorische oder sensorische Amusien auf. Dies sind Störungen in der Produktion ( motorische Amusie ) oder der Wahrnehmung ( sensorische Amusie ) von Musikstücken auf Grund von Hirnschädigungen. Das Erkennen und die Produktion von Melodien sind eher bei Läsionen der rechten Hemisphäre (insbesondere des rechtsseitigen Temporallappens aber auch des rechtsseitigen unteren Teils des Stirnhirns) beeinträchtigt, während die Produktion und das Erkennen von Rhythmus eher bei Läsionen von linksseitigen Hirngebieten beeinträchtigt sind.
â    Bei Musikern können Amusien auch auftreten, wenn Hirngebiete geschädigt sind, die bei Nichtmusikern nicht an der Kontrolle von Musikverarbeitungen beteiligt sind.
9 Wie produziert das Gehirn Musik?
Die Frage, wie das Gehirn
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