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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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bestätigen (Amunts et al., 1997; vgl. auch Abb. 60 ). Wir führten mittels Magnetresonanztomographie bei einer größeren Gruppe von Profimusikern Gehirnmessungen durch und vermaßen die Gehirne. 58 Dabei interessierte uns insbesondere das so genannte Handmotorareal. Dies ist das Hirngebiet, welches für die motorische Kontrolle der Hand bzw. der Hände zuständig ist. Während sich die Konstanzer Kollegen auf das sensomotorische Handareal konzentrierten (also das Hirngebiet, das für die Verarbeitung von Informationen zuständig ist, die von der Hand zum Gehirn gesendet werden), waren wir daran interessiert,das Areal zu vermessen, das an der direkten motorischen Kontrolle der Hände beteiligt ist. Allerdings ist es nicht so einfach, das Handmotorareal auszumessen, denn man kann keine deutlichen Grenzen auf den anatomischen Bildern erkennen. Meine Kollegin Katrin Amunts hat sich deshalb einen einfachen Trick ausgedacht, um die Größe des Handmotorareals zu schätzen. Anhand von PET-Untersuchungen wussten wir recht genau, wo sich das Handmotorareal befinden würde. Dort suchten wir nach einer markanten Furche (dem Sulcus centralis), die wir anschließend in ihrer ganzen Länge auf horizontalen Hirnschnittenvermaßen. Diese Vermessung hat eine Reihe von interessanten Ergebnissen zutage gefördert. So zeigte sich, dass das Handmotorareal in der linken Hemisphäre deutlich größer ist als in der rechten. Hierbei muss bedacht werden, dass die rechte Hand vom linksseitigen Handmotorareal und die linke Hand von rechtsseitigen Handmotorareal kontrolliert wird. Da wir ausschließlich konsistente Rechtshänder 59 untersucht hatten, belegt der Befund, dass Rechtshändigkeit (nämlich die deutliche Bevorzugung der rechten Hand) mit einer klaren anatomischen Asymmetrie im Handmotorareal korreliert. Rechtshänder weisen demnach größere Handmotorareale in der linken Hemisphäre auf. Das bedeutet, dass die geschicktere rechte Hand von einem größeren Handmotorareal auf der linken Hemisphäre kontrolliert wird. In Folgeuntersuchungen mit Nichtmusikern konnten wir diesen Befund weitgehend bestätigen. Bemerkenswert war allerdings, dass die Größe der Handmotorareale mit dem Alter zu Beginn des Musiktrainings korrelierte. Je jünger die Musiker waren, als sie mit ihrem Musiktraining begannen, desto größer waren die Handmotorareale. Wir erklären diesen Befund damals wie heute mit einer trainingsinduzierten kortikalen Reorganisation des Motorkortex. Je mehr und länger Musiker auf ihrem Instrument üben, desto stärker werden auch die Anpassungsprozesse der Nervenzellgruppen sein, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.

    Abbildung 60: Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie von Amunts et al. (1997). A) Darstellung der Schnittführung durch das Handmotorareal. B) Tiefe des Sulcus centralis im Handmotorareal bei Musikern und Nichtmusikern. C) Zusammenhang zwischen dem Alter zu Beginn des Musiktrainings und der Tiefe des Sulcus centralis im Handmotorareal bei Musikern.
    Kürzlich haben Marc Bangert und Gottfried Schlaug eine Studie publiziert, die in gewisser Weise eine Bestätigung der Ergebnisse unserer ersten Studie darstellt (Bangert und Schlaug, 2006). Sie haben die mittels Magnetresonanztomographie gemessenen Gehirne unabhängigen Beurteilern vorgelegt und diese angewiesen, die Form des Sulcus centralis in der Höhe des Handmotorareals zu beurteilen. Die Form des Sulcus centralis im Handmotorareal vor allem in der dominanten Hemisphäre (bei Rechtshändern auf der linken Seite) ähnelt einem Omega-Zeichen. Ein Omega-Zeichen im dominanten Handmotorareal wird im Allgemeinen als Hinweis auf das größere Volumen dieses Handmotorareals interpretiert. In der Studie von Bangert und Schlaug zeigte sich, dass dieProfimusiker über ein ausgeprägteres Omega-Zeichen verfügten als die Nichtmusiker, was man im Kontext der allgemein akzeptierten Interpretation als Indikator für ein größeres Handmotorareal bei Musikern werten kann. Interessant ist ferner ein weiterer Befund. Die Streicher zeigten eine deutliche Ausprägung des Omega-Zeichens in der rechten Hemisphäre, welche die eigentlich subdominante linke Hand kontrolliert. Möglicherweise hängt diese atypische Asymmetrie damit zusammen, dass Streicher ihre linke Hand besonders intensiv und präzise einsetzen müssen, um dem Instrument

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