Macht Musik schlau?
gemessen wurde. Insgesamt wurden somit fünf Lernkennwerte pro Gedächtnistest erhoben: drei für die Lernphase und zwei für den verzögerten Abruf. Für den verbalen Gedächtnistest ergab sich folgender konkrete Ablauf: Den Kindern wurden dreimal nacheinander 16 chinesische Wörter vorgelesen. Nach jedem Vorlesen waren die Kinder aufgefordert, die vorgelesenen Wörter zu repetieren. Da die Wortliste dreimal vorgelesen wurde und unmittelbar nach jedem Vorlesen überprüft wurde, welche bzw. wie viele Worte behalten wurden, erhielt man insgesamt drei Lernkennwerte, welche den Lernzuwachs über die drei Lerndurchgänge kennzeichnen. Die gesamte Lernleistung über diese Lernphase ergab sich aus der Anzahl aller korrekt gelernten Wörter (3 à 16 Wörter = 48 Wörter, die in den drei Lernphasen maximal zu lernen bzw. behalten waren). Diese drei Lerndurchgänge führen zu einem Lernkennwert, den man in der Literatur auch als «unmittelbare Abrufleistung» (engl.:
immediate recall
) bezeichnet. Neben dieser «unmittelbaren Abrufleistung» wurdeauch noch die Gedächtnisleistung nach Verzögerungen gemessen (man nennt dies in der englischsprachigen Literatur auch
delayed recall
). Der erste verzögerte Abruf erfolgte 10 Minuten und der zweite 30 Minuten nach dem letzten Lerndurchgang. In Gedächtnisexperimenten werden häufig solche Verzögerungsphasen eingebaut, um die Festigung der gelernten Inhalte zu überprüfen. In der Regel wird nur ein Teil der Informationen, die in der Lernphase erworben wurden, in das Langzeitgedächtnis überführt. Diesen Prozess nennt man
Konsolidierung
. Auch in diesem Experiment sollte die Konsolidierungsleistung nach 10 und 30 Minuten geprüft werden.
Beim visuellen Gedächtnistest handelt es sich wie beim verbalen Gedächtnistest ebenfalls um einen im chinesischen Sprachraum gebräuchlichen Test. Dieser Test überprüft die Merkfähigkeit für visuelle Muster. Der Test beinhaltet visuell-räumliche Muster, die mit Worten nicht beschreibbar sind. Dieser Test wurde gewählt, um visuell-räumliche Leistungen unabhängig von sprachlichen Hilfsmitteln zu überprüfen. Den Kindern wurden diese Muster analog zum verbalen Gedächtnistest jeweils dreimal vorgelegt. Nach jedem Lerndurchgang waren die Kinder angehalten, diese Muster aus einer Serie von ähnlichen und/oder identischen Mustern zu erkennen. Nach jedem Lerndurchgang wurde die Lernleistung anhand der korrekt identifizierten Muster festgehalten. Wie bei dem verbalen Gedächtnistest erfolgte 10 und 30 Minuten nach dem letzten Lerndurchgang noch ein Behaltenstest. Die Anzahl der korrekt wiedergegebenen Muster diente als Gedächtniskennwert für das visuell-räumliche Gedächtnis. Diese Gedächtniskennwerte wurden zweimal gemessen, einmal zum Ausgangszeitpunkt (Baseline) und ein zweites Mal nach einem Jahr Musikunterricht (Folgemessung), wobei die Abbrecher mindestens neun Monate vor der Folgemessung keinen Musikunterricht mehr genossen haben sollten.
Wie in der Abbildung 12 dargestellt, haben die Kinder, welche innerhalb dieses Jahres Musikunterricht erhalten hatten, ihre verbalen Gedächtnisleistungen erheblich verbessert. Betrachtet man die Gedächtnisleistungen getrennt für die Gedächtnisüberprüfung 10 und 30 Minuten nach dem Lernen, so erkennt man, dass die Anfänger innerhalb eines Jahres ihre verbalen Gedächtnisleistungen um 20 bis 25 % verbessert haben, während die Fortgeschrittenen noch eine Verbesserung von ca. 10 % erzielen. Interessant ist auch, das die Abbrecher sogar eine deutliche EinbuÃe ihrer verbalen Gedächtnisleistung von ca. 10 % ein Jahr nach der Baselinemessung aufweisen. Für die visuell-räumlichenGedächtnisleistungen zeigt sich kein differentieller Gruppenunterschied, d.h. alle drei Gruppen verbessern ihre visuell-räumlichen Leistungen innerhalb eines Jahres mehr oder weniger gleichmäÃig (in Abbildung 13 sind die prozentualen Veränderungen der Gedächtnisleistungen für den verzögerten Abruf 10 und 30 Minuten nach dem letzten Lerndurchgang dargestellt).
Abbildung 12: Dargestellt sind die Gedächtnisleistungen für den verbalen und visuell-räumlichen Gedächtnistest jeweils für die Baselinemessung und die Folgemessung ein Jahr später. Die Gedächtnisleistung wurde wie folgt berechnet: ((Leistung im Behaltenstest/Anzahl der
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