Macht nichts, Darling
nicht abschrecken. Im Gegenteil, wenn Simon einen Kummer hatte, mußte sie natürlich wissen, was es war, und ihm zu helfen versuchen.
»Was ist denn los?« fragte sie. »Du siehst aus, als wären dir sämtliche Felle weggeschwommen!«
Er zwang sich zu einem gequälten Grinsen. »Alles im Eimer. Ich will gerade diesen Brief einstecken. An den Chef der Firma, die Luthens übernommen hat. Ich teile ihm darin mit, daß ich die Verwalterstelle nun doch nicht annehmen kann.«
Sally prallte zurück; sie erinnerte sich nur zu gut an seine selige Vorfreude vor vierzehn Tagen. »Aber wieso denn? Sind dir nachträglich Bedenken gekommen?«
»Mir nicht, aber die Firma wird sie kriegen. Die Bedingung war, daß ich binnen drei Monaten heirate. Na... und damit ist es nun nichts.« Der Schmerz in seiner Stimme war unverkennbar.
»O Simon, wie leid mir das tut!« sagte Sally schnell. »Nun komm aber erst mal und erzähl mir die Einzelheiten. Ich habe heute auch schon einiges hinter mir und kann kaum noch auf den Füßen stehen.« (Dies war eine glatte Lüge, denn Sallys Zähigkeit war selbst durch die Unterhaltung mit einem Bankdirektor nicht zu beeinträchtigen.) »Sei so nett und lade mich zu einer Tasse Tee ein. Ich weiß ein kleines Lokal ganz in der Nähe, wo wir in Ruhe reden können.«
Simon willigte nur sehr zögernd ein. Offenbar hatte er noch nicht das Stadium erreicht, in dem man Reden als Erleichterung empfindet. »Meinetwegen, wenn du partout willst, obgleich das Gerede nun auch nichts mehr nützt. Es ist eben alles im Eimer.«
Sie achtete nicht auf die düstere Wiederholung. Vor langer Zeit, als sie vierzehn war, hatte er sie eigens aufgesucht, um ihr als erster anzuvertrauen, daß er durch ein Examen gefallen war. Und zwei Jahre später, als sie schon etwas auseinandergekommen waren, weil er mittlerweile auf der landwirtschaftlichen Hochschule war, hatte er sie mit dem Geständnis überrascht, er sei unsterblich in ein Mädchen verliebt, das ihn, wie er sich ausdrückte, »nicht ums Verrecken« heiraten würde. Damals war sie über ihre eigene Backfischschwärmerei schon so weit hinweg, daß sie seinen Kummer aus vollem Herzen mitfühlen konnte. Die Schwierigkeiten anderer Leute wurden dann immer mehr zu ihrem täglichen Brot, denn sie war eine ideale Zuhörerin und warmer Teilnahme fähig, und man erzählte ihr viel mehr als anderen. Heute war sie nun entschlossen, alles aus Simon herauszuholen. »Eine Aussprache kann nie schaden«, behauptete sie frischweg. »Bringt gewissermaßen Ordnung in die Sache. So, hier ist meine Teestube. Um diese Zeit ist sie meistens leer.«
Sie setzten sich an ein Tischchen in der äußersten Ecke, und Sally bestellte mit weitläufiger Miene Tee und Sandwiches. Als die Serviererin sie alleingelassen hatte, sagte sie: »Also, Simon, nun keine falsche Scham. Spuck’s aus.«
Der Kraftausdruck brachte ihn kurz zum Lächeln, weil er ihn einmal selbst gebraucht hatte, als Sally noch sehr klein war und er ein ungeduldiger Halbwüchsiger. Er hatte sie in bitteren Tränen über dem kleinen Einmaleins gefunden, das ihr durchaus nicht in den Kopf wollte, und eine Viertelstunde seiner kostbaren Zeit geopfert, um ihr den Trick beizubringen. Danach hatte sie die Aufforderung »Spuck’s aus« zur Belustigung ihres Vaters und Matts von Simon übernommen, und eine Zeit lang war es in allen brenzligen Situationen eine Art Schlüsselwort zwischen ihnen geblieben.
»Elizabeth«, fing er widerstrebend und unglücklich an, »Elizabeth will nicht mehr mitmachen.«
»Was? Hat sie was gegen deine schöne Verwalterstelle?«
»Ja — und gegen mich. Sie will keinen Farmer heiraten. Sie will einen Hochschuldozenten.«
»Irgendeinen, oder meint sie dich?«
»Mich, wenigstens bis vor kurzem, aber ich glaube, sie hat jetzt einen andern am Bändel, der ihrem Geschmack mehr entgegenkommt. Wie dem auch sei, sie hat Luthens jedenfalls glatt abgelehnt. Nicht einmal zu einer unverbindlichen Besichtigung hat sie sich herabgelassen. Sie schrieb, nichts könnte sie dazu bewegen, im Hinterland zu versauern, fernab von aller Zivilisation. Das kann man ihr ja nun nicht ganz übelnehmen«, gab er jämmerlich zu, »wo sie gerade jetzt in den feineren Kreisen so brilliert.«
»Sie ist ein Aas«, erklärte Sally mit Überzeugung. »Fang jetzt nicht etwa an, ihre Tugenden vor mir herauszustreichen. Ich hab’ Elizabeth Gray nie besonders gemocht. Sie war zu überheblich und selbstsüchtig... Aber diese Gemeinheit
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