Macht nichts, Darling
alle möglichen Tugenden, aber für Sally war er nicht elastisch genug. Elastisch, das war das Wort, das sie gesucht hatte. Als sie ihre Bedenken später Trevor mitteilte, meinte er lächelnd, ihr Ausdruck »nicht elastisch« sei eine ihrer üblichen sanften Untertreibungen.
Im übrigen lachte er zu Alices Staunen über die ganze Geschichte. »Wie das Sally wieder ähnlich sieht! Nun stürzt sie sich aus lauter Hilfsbereitschaft sogar in eine Scheinverlobung. Ich hätte gern Simons Gesicht gesehen, als es passierte. Er muß vor Wut beinahe erstickt sein.«
»Das wäre aber sehr undankbar von ihm. Sie hat es doch nur seinetwegen getan.«
»Weiß ich, aber das ändert nichts an dem katastrophalen Resultat.«
»Der Mann, der sie einmal wirklich kriegt, hat Glück.«
»Jedenfalls keine Langeweile.«
»Wie du immer gleich übertreibst...! Du kennst Sally eben noch kaum von der anderen Seite.«
»Zum Beispiel?«
»Nun, sie ist furchtbar nett zu allen Nachbarn, besonders zu den hilfsbedürftigen, und sie schreibt oft an ihren lästigen alten Großonkel, auch wenn sie abends noch so müde ist.«
»Hat sie einen Großonkel? Das ist mir neu.«
»Ja. Er lebt in Australien und scheint total verrückt zu sein. Er glaubt an Elfen und Geister und schwört Stein und Bein, daß er sie mit eigenen Augen sieht. Aloysius heißt er.«
»Aloysius. Auch das noch. Sally korrespondiert also mit ihm? Hoffentlich kommt er nicht eines Tages ’rüber, um ihr und den neuseeländischen Buschelfen einen Besuch abzustatten. Der arme Matt würde dann jedenfalls zum Wahnsinn getrieben.«
»Ein Glück, daß er so weit weg wohnt... Aber er ist sehr schreibfreudig, und die arme Sally beantwortet gewissenhaft jeden Brief. Und dann hat sie noch ihren einsamen Seemann auf dem Hals. Das bedeutet noch mehr Briefe.«
»Einen einsamen Seemann? Sally korrespondiert auch mit einem einsamen Seemann? Himmel, wozu denn das?«
»Ach, sie ist einmal zufällig auf ein Inserat in einer englischen Zeitung gestoßen: Einsamer Seemann sucht Brieffreundschaft. Und da hat sie eben geschrieben.«
»Natürlich. Vermutlich ist da ein baldiger Besuch zu erwarten?«
»Nein, glücklicherweise kommt sein Schiff nie nach Neuseeland. Er fährt eine ganz andere Route. Aber die vielen Briefe kosten Zeit und Mühe, denn Sally ist nach ihrer vielen Arbeit abends immer rechtschaffen müde und möchte ins Bett, und sie tut das alles nur aus Herzensgute.«
»Die Wurzel allen Übels!«
»Bitte, Trevor. Du hast Sally doch gern, und Simon hat sie auch gern, und ich finde, er sollte sich geschmeichelt fühlen, statt wütend zu sein. Sie ist ein hübsches Mädchen, und es war die reine Selbstlosigkeit, daß sie sich mit ihm verlobt hat.«
»Woraus, meine süße, aber unlogische Gattin, entnimmst du das?«
»Nun, kein Mädchen spielt gern die abgehängte Braut, und als solche steht sie doch eines Tages da, wenn der Zweck erreicht ist. Für Hugh Davenport muß es auch peinlich sein, das macht die Sache noch komplizierter.«
»Wer sich mit Sally einläßt, muß mit Komplikationen rechnen. Wie hat er denn den letzten Streich aufgenommen?«
»Zunächst sehr sauer, sagt Sally. Er hat sie abgekanzelt wie einen armen Sünder auf der Anklagebank. Aber dann hat sie ihn ’rumgekriegt, und er hat sie für heute abend zum Essen und ‘ns Kino eingeladen.«
Alice verschwieg Sallys letzten Satz: »Und schließlich gaben wir uns einen Kuß — das heißt, ich ihm — und waren wieder gute Freunde.« Trevor sah Küsse wahrscheinlich in einem anderen Licht als Sally selbst.
Das Abendessen mit Hugh wäre genußreicher gewesen, wenn Sally nicht Simon in einer Ecke des Lokals erspäht hätte — allein und offenbar wieder in düsterste Gedanken versunken. Ihr weiches Herz bewog sie unseligerweise sofort zu dem Ausruf: »Oh, Hugh, der arme Simon! Wie jammervoll er aussieht!«
Davenport folgte ihrem Blick und bemerkte spöttisch: »Man sieht ihm wirklich nicht an, daß er gerade erst das Herz eines bezaubernden Mädchens gewonnen hat.«
Sally schüttelte verweisend den Kopf. Sie haßte Gestichel. Dann sagte sie strahlend: »Setzen wir uns doch zu ihm. Wir müssen ihn aufheitern.«
Es war kein sehr glücklicher Einfall. Hugh folgte ihr mit Märtyrermiene, und Simon schien bei ihrem Anblick ebenfalls nicht übermäßig erfreut zu sein. »Du — schon wieder!« murmelte er in einem Ton, den selbst sie nicht als Kompliment auslegen konnte.
Natürlich sträubte sie nun auch das Gefieder. Simon
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