Macht nichts, Darling
ihn in mein Geheimversteck gelegt« und stürzte hinaus. Ob sie ihn etwa nach all ihrer Wichtigtuerei im Schloß steckengelassen hatte? Nein, da war er nicht. Versuchshalber rüttelte sie an der schweren Doppeltür. Das einbruchssichere Schloß rührte sich nicht. Sie mußte unbedingt den Schlüssel haben! Ob sie ihn auf dem Weg ins Haus verloren hatte? Sie suchte den Boden ab — umsonst. Sie lief in ihr Zimmer, durchsuchte in fliegender Hast Abendtäschchen, Manteltaschen, die Schubladen der Frisierkommode und schickte sich eben an, unters Bett zu kriechen, als sie Hugh in der offenen Tür stehen sah.
»Das hab’ ich mir doch gedacht. Du hast den Garagenschlüssel verloren«, stellte er halb melancholisch, halb triumphierend fest, und Sally verspürte eine höchst primitive Lust, ihn dafür zu ohrfeigen.
»Unsinn! Ich habe ihn nicht verloren. Er muß hier irgendwo sein.«
»Die typische Antwort des Verlierers«, bemerkte Hugh spitz.
»Ich habe ihn extra sicher weggelegt!«
»Eine weitere typische Ausrede. Nun brauchst du nur noch zu sagen, du hast ihn eben noch in der Hand gehabt, dann sind sämtliche Variationsmöglichkeiten erschöpft.«
»Du bist widerlich. Wenn du nur ein bißchen Anstand im Leibe hättest, würdest du mir lieber suchen helfen.«
Hugh wußte selbst, daß er ihre Verlegenheit vergrößerte, aber sein Geduldsfaden war am Reißen. Er schätzte Ordnung und Zuverlässigkeit über alles — zwei Tugenden, die Sally offenbar völlig abgingen. Er brauchte seinen Wagen dringend und durfte bei der heutigen Sitzung nicht fehlen. Was nützte aller Charme, wenn man sich nicht auf das Mädchen verlassen konnte! Sie suchte jetzt an den unmöglichsten Stellen, im Küchenschrank, zwischen den Töpfen, in Matts Zimmer und schließlich sogar in der Mehldose, was sie ganz ernstgemeint begründete: »Ich hatte nur den einzigen Gedanken: Der Schlüssel muß sicher aufbewahrt werden! Und in der Mehlbüchse sieht bestimmt kein Dieb nach.«
Zwischendurch kümmerte sie sich auch noch um das Abendessen, das appetitlich auf dem Herd duftete, und forderte Hugh auf, seine Phantasie walten zu lassen. Der Schlüssel sei bestimmt da, es frage sich nur noch, wo.
»Irgendwie muß ich den Wagen herauskriegen«, sagte er schließlich ermattet. »Ich werde mir mal die Tür ansehen.«
»Es ist eine ganz starke Doppeltür. Dein Wagen ist noch nie sicherer gewesen als letzte Nacht«, beteuerte sie mit einem Stolz, der in ihm den Wunsch erweckte, sie entweder zu schütteln oder zu küssen. Er widerstand beiden Regungen und sagte nur, vielleicht könne er das Schloß aufbrechen.
»Unmöglich. Wenn irgendeiner das fertigbrächte, hätte ich vor Sorge um deinen Wagen die ganze Nacht kein Auge zugetan.« Dennoch folgte sie Hugh notgedrungen zur Garage und sah zu, wie er vergeblich an der großen Tür rüttelte und dann mit einem Draht im Schloß der kleineren herumstocherte.
»Schade, auf Dietriche scheinst du dich nicht zu verstehen«, meinte sie bedauernd. »Manchmal könnte man etwas Einbruchstechnik brauchen«, worauf Hugh säuerlich erwiderte, leider sei das im juristischen Studium bis heute noch nicht inbegriffen. »Aber wenn du mir einen Schraubenzieher bringst, kann ich die kleine Tür vielleicht damit aufkriegen und die große dann von innen öffnen.«
»Einen Schraubenzieher?« Sally blickte in die Höhe, als ob Schraubenzieher auf Bäumen wüchsen. »Wenn bloß Matt da wäre«, fuhr sie zaghaft fort. »Der wüßte bestimmt Rat. Aber er ist am andern Ende der Farm oder beim Nachbarn. Ich frage mich nur...«
Hugh hielt mühsam an sich. »Du wirst doch wenigstens einen Schraubenzieher in deinem Wagen haben?«
»Im Wagen?« wiederholte Sally ehrlich schockiert. »Ich habe nie irgendwelches Werkzeug im Wagen. Das heißt ja das Unglück herausfordern!«
Hugh betrachtete sie einen Moment und entschloß sich dann, schweigend über diese letzte Äußerung hinwegzugehen und stattdessen den Geräteschuppen zu durchsuchen, während Sally zwischen ihm und der Küche hin und her pendelte. Das Essen durfte nicht auch noch anbrennen — es war ihre letzte Chance, Hugh damit wieder in bessere Laune zu bringen. Endlich hatte er einen Schraubenzieher gefunden und machte sich damit an die Arbeit. Obwohl er nicht viel von praktischen Dingen verstand, hütete er sich wenigstens, Sallys weise Ratschläge zu befolgen, und daher gelang es ihm mit viel Mühe und Schweiß wirklich, alle Türen aus den Angeln zu heben und seinen Wagen
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