Macht: Thriller (German Edition)
sorgenfrei, warf ihre schulterlangen, kastanienbraunen Haare in den Nacken, und zeigte auf die schönste aller Arten die Zähne.
Sie ist so viel verlässlicher als ich, überlegte Gabriel, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann schlüpfte er ins Kircheninnere und sah auf seine Armbanduhr. Das Konzert begann in wenigen Minuten.
Eineinhalb Stunden später hallte der Applaus aus der Kuppel wider, als der abschließende Akkord des letzten Stückes verklungen war. Das Konzert war der erhoffte Erfolg geworden.
Im Anschluss bat ein mit sich und der Welt zufriedener Pfarrer Fuchs zu einem kleinen Empfang mit Wein und Brot in den Gemeindesaal des alten Pfarrhauses. Und als endlich alle Gäste gegangen waren, ließ er sich auf einen der verwaisten Stühle fallen, streckte die Beine aus und zog sich die Krawatte vom Hals. Der grüne Veltliner verbreitete fröhliche Nebelschwaden in seinem Kopf, und er beobachtete Sophie, wie sie nur auf Strümpfen zwischen den Tischen hin und her wieselte und leere Gläser in die Küche trug, um sie in den Geschirrspüler zu stellen.
»Was grinst du so blöd?«, feixte Sophie und stemmte ihre Fäuste in die Seiten.
»Ich darf doch wohl noch lüstern meine Ehefrau anschauen«, lachte Gabriel, stand auf und legte ihr die Hände auf die Hüften. »Schläft unsere Lilly schon?«, flüsterte er ihr ins Ohr.
»Vergiss es, mein Lieber«, kicherte Sophie und schob ihn weg. »Lilly habe ich zwar schon ins Bett gebracht, aber du gehst jetzt nachsehen, ob auch wirklich alle weg sind, und sperrst dann ab. Marsch! Ich bin müde und will ins Bett.«
»Zu Befehl!«, murrte Gabriel und trollte sich.
Die Nacht war sternenklar und kalt. Der kleine Platz zwischen den beiden Backsteinhäusern vor der Kirche war menschenleer. Auf der Triesterstraße fuhren nur noch sporadisch Autos in Richtung Südautobahn oder Zentrum vorbei. Und die kalte Nachtluft vertrieb die Dunstschwaden aus Gabriels Kopf. Er begann, eine Runde zu drehen und nach dem Rechten zu sehen. Die beiden Tore im Gusseisenzaun und die Kirche waren versperrt. Niemand war mehr auf dem Friedhofsgelände. Zufrieden verriegelte er zuletzt auch noch die kleine Türe auf den Matzleinsdorferplatz. Da blieb ihm fast das Herz stehen.
Vor dem zweiten Haus des historischen Gebäudeensembles, gegenüber im Blumengeschäft, fielen laut krachend einige leere Blumentöpfe um. Fuchs fuhr herum, und eine Katze huschte davon.
»Blödes Vieh!«, brummte Gabriel. »Geh mit Gott, aber geh!« Er warf einen letzten Kontrollblick durch das Gitter nach draußen. Der Parkplatz war leer. Er konnte beruhigt ins Haus gehen, kein vergessener Besucher würde ihn später herausläuten.
Im Gemeindesaal war es schon dunkel, stellte Gabriel enttäuscht fest. Sophie war schon nach oben schlafen gegangen. Missmutig sperrte er die Eingangstür ab und zog das Scherengitter zu. Dann stapfte er langsam die schmale Treppe nach oben. Nur noch ins Bett, dachte er.
Aber als sich der Weg teilte, links zu seiner Familie, rechts in sein Büro, überlegte er es sich anders. Gabriel machte vorsichtig die Doppeltüre zur Wohnung zu und betrat sein Arbeitszimmer. Er knackte mit den Fingern und setzte sich an seinen Schreibtisch. Der Computer fuhr hoch, und der Pfarrer öffnete den Browser. Er klickte auf den Menüpunkt »Chronik« und gab kurzentschlossen den Befehl »Vorherige Sitzung wiederherstellen«.
Das hatte er nicht erwartet. Er fasste sich ans Kinn und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Ein Tab nach dem anderem wurde geöffnet, und auf dem Bildschirm rasten Zahlenkolonnen, Fotos und Zeichnungen mit unglaublichem Tempo an ihm vorbei. »Dieses kleine Luder«, murmelte Fuchs anerkennend.
Gabriel goss sich einen doppelten Obstler aus seinem Versteck hinter der Bücherwand ein und stürzte ihn hinunter. Er schenkte sich nach und schob die Schwarten zur dogmatischen Theologie wieder an ihren Platz. Zur Pneumatologie würde sich Sophie nie verirren, schmunzelte er. Mit zusammengekniffenen Augen schielte er zum PC hinüber. Lilly allerdings … Er knipste die Schreibtischlampe aus, trat ans Fenster und seufzte.
»Da ist doch klar und deutlich ein Parkverbot ausgeschildert«, knurrte er, stellte das Schnapsglas ab und lehnte sich nach vorne. Auf dem Parkplatz der Kirche, von den Ginsterstauden hinter dem Zaun verdeckt, stand ein dunkler Lieferwagen. Fuchs kramte in seiner Erinnerung. Aber dieser VW Caravelle Comfortline war vorhin ganz sicher noch nicht dagewesen. Der
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