Macht: Thriller (German Edition)
Gesicht, trug das Haar gescheitelt und war glattrasiert.
»Wer sind Sie?«, wollte Josephine wissen. Der Anzug, ein Dreiteiler aus Alpakawolle, war Maßarbeit, kein Markenlabel.
Der Mann formte ein kleines Dach aus seinen Fingern und lehnte sich zurück. »Ich bin der Deus ex machina !« Ein einnehmendes Lächeln erhellte seine Züge. Aus den taubengrauen Augen blitzte der Schalk. »Ich freue mich, dass Sie vier den Weg zu mir gefunden haben. Ich bedaure aber von Herzen die Umstände Ihrer Reise.« Er wischte mit der Hand über den Tisch. »Es ist Zeit, ein paar Dinge aus der Welt zu schaffen.«
Die Seitentür ging auf und Doktor Steuben stolperte in das Büro. Zwei Männer schlossen die Nebentür und bezogen davor Posten.
Steuben rappelte sich auf die Füße, glättete die Frisur und rückte die Brille zurecht.
»Kennen Sie diesen Mann?«, fragte der Weißhaarige.
Gernot und Udo bestätigten mit einem Nicken.
»Sie auch?« Der Mann hinter dem Schreibtisch zeigte auf Josephine und erteilte ihr das Wort.
Josephine rieb sich die Oberarme. »Ich kenne ihn auch.«
»Und du, meine Kleine?« Der Weißhaarige lächelte Lilly an.
Das Mädchen sprang auf und versteckte ihr Gesicht an Gernots Brust.
»Pah!« Steuben machte eine wegwerfende Handbewegung. »Menschen wie die sind als Zeugen doch völlig unbrauchbar. Die merken nicht einmal, wenn ihre Bürokollegen neue Haarfarben oder Frisuren haben. Geschweige denn ob die Männer, die sie gesprochen haben, Bartträger sind oder nicht. Leute wie die sehen ihren Mitmenschen doch nie ins Gesicht. Selbst dann nicht, wenn sie sich acht Stunden am Tag gegenüber sitzen müssen. Die brauchen erst ein Foto mit Bildunterschrift im Web 2.0, zu dem sie dann ihre Likes und Dislikes abgeben sollen.«
»O nein, Ihr Gesicht vergesse ich nie mehr.« Josephine war angewidert und wurde zornig. »Sie haben mich und Lilly im Haus ihrer Großeltern als Geisel genommen und uns beinahe umgebracht! Was hat Lilly so Bedrohliches herausgefunden?«
»Nichts«, antwortete Steuben. »Sie ist das unbefleckte Gefäß, der Schoß, der die neue Welt gebiert.«
»Was? Der Schmalgepickte ist das gewesen?« Gernot schnellte nach vorne und musterte Doktor Steuben von oben bis unten. »Wer ist der Kerl?«
»Doktor Ewald Steuben«, antwortete der Mann im Dreiteiler. »Deutscher Staatsbürger, vormals DDR. Geboren und aufgewachsen in Berlin Ost. Eine Koryphäe auf seinem Fachgebiet. Der in unseren Augen führende Experte in Kybernetik und Netzwerktheorie.«
Steuben nahm die Brille ab und brach das Gestell in der Mitte auseinander. »Ich bin nicht Ewald Steuben.« Er unterdrückte das Bedürfnis, auszuspucken. Bruder Aiakos hasste und verachtete Ewald Steuben. Ewald war am 20. Juli 1990 gestorben. In den Bunkeranlagen der Neuen Reichskanzlei, zusammen mit den anderen Kindern. Aiakos’ Augen wanderten über die Gruppenfotos an der Wand hinter dem Schreibtisch. Die Fotografien verbanden drei Jahrhunderte und zwei Kontinente. Auf jedem waren eine Gruppe von dreizehn Männern und eine Standuhr zu sehen. Die Zeiger auf dem Ziffernblatt zeigten immer dieselbe Uhrzeit: Acht Uhr. Dreizehn Soldaten erwiesen auch dem blitzeschleudernden Gebieter des Vril die Ehre. Dreizehn Neophyten und einen Meister zeigte das Wandbild im Bunker der SS-Fahrbereitschaft. Bald schon wird Aiakos auch Meister sein.
Der Weißhaarige legte die Stirn in Falten und drehte sich mit dem Schreibtischsessel. Er blickte von Aiakos zu den Gruppenporträts und wieder retour. »Du irrst dich, Bruder. Das Bild, von dem du von Jugend an besessen bist, es zeigt nicht das, was du dir erhoffst. Es war als Scherz gemeint. SS-General Sepp Dietrich hat seinen Liebhaber in flagranti mit einer verheirateten Frau erwischt. Die Blitze sind Zorn und Eifersucht. Die dargestellte Szene soll sich in einem Nonnenkloster in Frankreich zugetragen haben. Nur deshalb verstecken sich im Hintergrund die Nonnen.«
»Nein!« Aiakos zeigte die Zähne. »Das glaube ich nicht. Ich weiß es besser!«
Der Mann im Dreiteiler winkte mit Zeige- und Mittelfinger, die zwei Männer in Schwarz begleiteten den Bruder nach draußen. Der Weißhaarige wandte sich wieder an die vier Gäste. Er zeigte ein bekümmertes Gesicht. »Wir, das heißt The Order , wollen uns bei Ihnen allen für unseren Bruder Aiakos entschuldigen und sich in der gebotenen Form von seinen Taten distanzieren. Er hat Schande über sich und die Bruderschaft gebracht. Ich verspreche Ihnen, er wird in Zukunft
Weitere Kostenlose Bücher