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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
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ganze Weile so auf dem Fußboden liegen, horchte auf den Verkehr vor den Fenstern und in die Wohnungen um ihn herum. Er hörte gedämpfte Stimmen, Schritte, Duschen, Toilettenspülungen und Küchengeklapper. Schließlich stand er auf und zündete sich eine Smart an.
    »Scheiß Ameisenfallen! Anstatt das Gift in ihr Nest zu tragen, wie auf der Packung versprochen, krepieren sie hier vor meinen Augen.« Am liebsten hätte Gernot ausgespuckt. Stattdessen holte er Schaufel und Besen und kehrte die Leichen rings um das Plastikrechteck zusammen. Die Ameisen krabbelten direkt an ihrem Schlupfloch vorbei zu Szombathys Schlafzimmer in den Tod, und andere kamen trotzdem immer wieder. Jede vernünftige Armeeführung hätte die Invasion längst aufgegeben bei dem Bodycount. Szombathy kippte die Gefallenen in den Abfalleimer, salutierte und nahm einen Schluck Kaffee. Er lehnte sich gegen die Kredenz, zog an der Zigarette. Diese hier nicht. Was peitschte sie voran? Welle um Welle verendete für eine verlorene Sache. War es Hunger, ein Glaube oder was? Schnell hatte Szombathy einen Namen für das Leichenfeld unter seinem Fenster gefunden: Philippi. Oder vielleicht doch lieber Stalingrad? Scheiß drauf, alles dasselbe.
    Gernot stellte das Häferl in den Abwasch, stieg unter die Dusche und zog sich an. Weißes Hemd und Jeans. Vor dem barocken Tabernakelschrank im Wohnzimmer blieb er stehen. Er zögerte einen Moment, dann öffnete er eine Schublade und suchte den Papierbeutel. Er fand das Säckchen und leerte sich den Inhalt in die hohle Hand. Der silberne Totenkopfring kollerte heraus und grinste ihn mit roten Edelsteinaugen an.
    Szombathy ließ sich auf einen der Chesterfield-Fauteuils fallen und hielt sich den Silberring mit beiden Händen vor das Gesicht. Er bewegte ihn im Licht hin und her und erwiderte den Blick des Schädels. Die Steine, seine Augen, waren blind, und das Metall des Reifs schwarz angelaufen. Der Ring war alt. Der Kopf, die Zahnreihen und die beiden gekreuzten Knochen waren plastisch gearbeitet. Alles in allem war die Verzierung in etwa so groß wie der Nagel von Gernots kleinem Finger. Die Ausstrahlung des Schmuckstücks dafür ungleich größer. Szombathy wurde das Grinsen unheimlich. Er warf den Totenkopfring zurück in den Papierbeutel und rollte die Tüte um den Ring zusammen. Er stand auf und steckte das Ding in seine Gesäßtasche. Im Vorzimmer schlüpfte er in das Sakko, das er bei Gabriels Beerdigung getragen hatte, und griff zum Telefon.
    »Hallo, Herr Pogitsch? Hier Szombathy. – Ja, wir haben uns leider erst gestern auf der Beisetzung von Gabriel Fuchs kennengelernt. Ist es in Ordnung, wenn ich Sie heute in Ihrer Werkstatt besuche?« Gernot wartete und strich mit der Schuhsohle über den Läufer. »Gut! Ich bin unterwegs. In circa einer Stunde werde ich bei Ihnen sein. – Ja, stimmt, es geht um den Totenkopfring. Gabriel Fuchs hat Ihnen vorab alles erklärt? – Genau! Der Silberring vom Friedhof. Bis gleich. Wiederhören! Und danke, dass Sie sich die Zeit nehmen.«
    Gernot legte auf und ließ das iPhone zurück in die Sakkotasche gleiten. Vielleicht, überlegte Szombathy, brachte der Goldschmied Licht ins Dunkel. Mit etwas Glück und Sachverstand offenbarten die Punzen im Metall die Herkunft des Ringes und verrieten auf diese Weise, wer seinen besten Freund auf dem Gewissen hatte. Rache, lächelte Szombathy, war ein Gericht, das man am besten kalt servierte. Kalt wie ein Grab im Oktober.
    Auf dem Weg durch die begrünten Innenhöfe zur Bushaltestelle blieb Gernot kurz stehen und schnupperte. Brandgeruch lag in der Luft. Weder an den Fenstern zum Hof ringsherum, noch am Himmel bemerkte er Ruß oder Rauch. Bestimmt hatte es in der Nacht irgendwo gebrannt, und der Wind stand ungünstig und verbreitete den Gestank. Wie vor ein paar Jahren, als nicht weit südlich vom Wienerberg, in Liesing, eine alte Werkshalle eingeäschert worden war, oder als im November 1992 die Redoutensäle der Hofburg in Flammen aufgegangen waren. Beides hatte kilometerweit gerochen. Gernot überlegte kurz, die Lokalnachrichten anzusurfen, entschied sich jedoch dagegen, weil der Bus einfuhr. In der Zweimillionenstadt brannte es immer irgendwo, und das stank zum Himmel. Er setzte sich auf einen freien Sitzplatz, schloss das Schiebefenster und schenkte dem Odeur keine Beachtung mehr. Er hatte jetzt Wichtigeres zu erledigen.

12
    Wien, 1994
    A ber du hast es versprochen«, krächzte Szombathy dünner als beabsichtigt. Der Frosch in

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