Macht: Thriller (German Edition)
ab.
»Scho wieder so a Tuttelsheriff«, knurrte der Kriminalpolizist kaum hörbar und überflog das Protokoll.
Josephine zog die Brauen nach oben. Sie musterte den Polizisten: schwarze Lederjacke, kurzgeschorene Haare, goldener Ohrstecker. »Herr Kommissar?«, begann sie vorsichtig.
»Kommissar gibt’s in Österreich leider kan«, war die lapidare Antwort. Ohne aufzuschauen las er weiter. »Eh klar! Darum«, sagte er zu sich selbst. »Wohnhaft in Frankfurt am Main«, wandte er sich lauter an sein Gegenüber. »San Sie am End a Deutsche?«
»Österreichische Staatsbürgerin.« Mahler kramte ihren Reisepass aus der Handtasche und zeigte ihn vor. »In Wien Hernals geboren und in Margareten aufgewachsen.«
»Im fünften Bezirk. Wie schön …« Endlich blickte der Kriminalpolizist auf und stellte sich vor: »Chefinspektor Wotruba, Frau …?«
»Doktor Josephine Mahler«, erwiderte Josephine und verschränkte die Arme. »Mahler mit h wie in Gustav Mahler.«
»So so«, nickte Wotruba teilnahmslos. »Wissens, ich interessier mich nicht für Schauspieler.«
Mahler war ein Komponist, du Depp, dachte Josephine und schürzte die Lippen.
Wotruba zog die Brauen zusammen und machte eine einladende Geste. »Wissens was, Frau Maler mit oder ohne h, Sie begleiten mich jetzt aufs Kommissariat. Dort können wir in Ruhe weiterplaudern.«
10
W otruba stellte seinen Dienstwagen auf dem Parkplatz vor dem Bezirkskommissariat Favoriten ab und hielt Mahler die Tür auf.
Josephine stieg aus. Sie war seit Jahren nicht mehr hier gewesen, an der Kreuzung Gudrunstraße und Van-der-Nüll-Gasse. Nichts hatte sich verändert. Die Apotheke am Eck gab es noch, und das mit Waschbetonplatten oder etwas ähnlich Hässlichem verkleidete Kommissariat hatte nichts an Charme und Gastlichkeit dazugewonnen. Die dunkelbraunen Fensterreihen drückten schwer aufs Gemüt. Und auf dem zweigeschossigen und langgestreckten Vorbau stand neben einem Bundesadler aus Metall in großen schmucklosen Buchstaben »Bezirks-Polizeikommissariat Favoriten«.
Der Chefinspektor nahm Mahler am Arm und führte sie wortlos die Treppe nach oben zu den Glastüren ins Foyer. Aber neben der Eingangstür blieb er stehen und drückte die Gegensprechanlage zur Wachstube im Vorgebäude. Der elektrische Türöffner summte, und der Beamte schob Josephine ins Innere vor ein weißes Empfangspult.
In der schlauchartigen Zimmerflucht des Wachzimmers roch es nach Resopalmöbeln, Computerentlüftungen, Kaffee und Papier. Der Bundespräsident mit perfekter Föhnfrisur und skandallosem Lächeln blickte gütig von seinem Portrait auf die Exekutive herab. Ein Polizist in Hemd und Krawatte und mit umgeschnalltem Pistolengürtel erschien. Handschellen und Pfefferspray waren griffbereit. Seine Mimik war teilnahmslos, und er wirkte gelangweilt. »Ja, bitte?«
»Chefinspektor Wotruba, ich habe angerufen«, antwortete der Kriminalbeamte und zeigte seine Dienstmarke. »Ich brauche euer Verhörzimmer, dass ich mich mit der Dame hier ungestört unterhalten kann.«
»Kommen S’ mit.« Der Uniformierte schlurfte voraus.
Zwei Beamte zerrten einen Mann in Handschellen an Josephine vorbei. Er hing fast regungslos in ihrem Griff und stöhnte. Die Polizistin an seiner rechten Seite presste ihm eine Gazekompresse auf eine scheußliche Platzwunde über seinem rechten Auge.
Die Exekutivbeamten an den Schreibtischen nahmen keine Notiz von der Szene. Unbeirrt starrten sie auf ihre Bildschirme und hackten in die Tastaturen. In den Aktenablagen auf ihren Tischen stapelten sich die Anzeigen und Protokolle zur Digitalisierung. Die Telefone klingelten jede zweite oder dritte Minute, weitere Zwischenfälle wurden gemeldet, Uniformierte schlüpften in ihre Jacken und setzten sich die Kappen auf. Immer neue Aktennummern kamen dazu, der Papierberg wuchs. Das Personal dagegen schrumpfte.
»Was ist mit dem passiert?« Mahler deutete mit dem Kopf der seltsamen Dreiergruppe hinterher.
Wotruba zuckte mit den Schultern. Ohne hinzusehen erklärte er emotionslos: »Gegen den Türrahmen gestolpert.«
Josephine wurde ganz anders. Da roch sie es. Ganz deutlich lag der Geruch kalten Rauchs in der Luft. Und der Gestank kam von dem Verletzten.
Mahler hielt den Chefinspektor zurück. »Der Mann da. Er stinkt nach Feuer …«
»Unsinn«, unterbrach sie der Kriminalbeamte. »Das sind Sie selber. Sie stinken wie ein Stück Geselchtes. – Räucherschinken, meine ich.« Er verstummte. »Nichts für ungut«, brummte er dann und
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