Macht: Thriller (German Edition)
sich auf die Ersatzbank. Er wartete gar nicht erst, bis Szombathy auf der Turnbank zu sitzen kam, sondern begann gleich drauflos zu plaudern. »Hast du die Folge gestern gesehen? Ja? Das war doch klasse, wie Captain Pikard dem Riker eine reingehauen hat auf dem Schmugglerschiff …«
»Gehst du heute auf die Party?« Szombathy wischte sich Schweiß und Haare aus dem Gesicht.
Gabriel machte große Augen. »Party? Welche Party?«
Josephine bückte sich, zog sich die Strumpfhose nach oben und spürte Blicke auf ihrem dicken Hintern. Als sie sich umdrehte, steckten zwei Mädchen die Köpfe zusammen und kicherten. Josephine richtete sich auf und schaute ihnen in die Augen. Das Lachen verging den beiden. Aber als Josephine in den übertragenen Rock ihrer älteren Schwester stieg, hörte sie die zwei Hühner wieder gackern. Sie spürte, wie das Blut in ihre Wangen schoss. Josephine zwängte sich in die Schuhe, schnappte die vollgestopfte Turntasche und rannte aus der Garderobe.
Die frische Luft vor der Schule tat ihr gut. An dem Metallgeländer, das Gehsteig und Straße trennte, lehnte Gernot Szombathy und rauchte. Neben ihm saß der kleine Gabriel Fuchs, lächelte und ließ die Füße baumeln. Mahler verschränkte die Arme und stellte sich daneben.
»Haben sie dich schon wieder aufgezogen?« Szombathy schnippte die Zigarette auf die Fahrbahn.
Josephine sagte nichts. Sie nickte nur und wischte sich die Wangen ab.
Gernot kramte ein Papiertaschentuch aus seiner Gesäßtasche und gab es Josephine. »Mein Vater sagt, die Mädchen, auf die er in der Schule gestanden hat, weil sie fesch gewesen sind, sind jetzt alle fett und nicht mehr zum Anschauen. Die anderen dagegen, die er nicht angeguckt hat, die sind mit den Jahren immer hübscher geworden. Wirst sehen, bei dir ist es genauso.«
Josephine schnäuzte sich und rang sich ein Lächeln ab. Vielleicht stimmte das, aber was brachte ihr das heute? Und Szombathy fand sie also auch hässlich.
»Gehst du heute auf diese Party, Josi?« Gernot beugte sich zu ihr, und Josephine schüttelte den Kopf. OK, sie war vielleicht ein wenig pummelig, aber sie hatte wundervolle Augen. Und ihr Busen war größer als bei den anderen, das war auch nicht zu verachten. Er holte eine verbeulte Smart-Packung aus seinem Schulrucksack und steckte sich eine Zigarette in Mund. Er schnippte sein Zippo auf und starrte vor sich hin. So in Gedanken vergaß er völlig, die Smart anzuzünden. »Scheiß drauf! Wisst ihr was, mir reicht das jetzt mit denen!«
»Was willst du damit sagen?« Josephine runzelte die Stirn und legte den Kopf etwas zur Seite. Mit der nicht angezündeten Zigarette im Mundwinkel schaute Gernot albern aus. Es wäre sowieso besser, er würde das Rauchen ganz lassen. Er war schon ganz blass, fast käsig, und roch langsam wie ein Aschenbecher. Die Kippen passten nicht zu ihm. Warum machte er das? Wollte er cool sein? Er war zu klug für so einen Unsinn.
Gabriel hüpfte vom Geländer, schaute Gernot erwartungsvoll an und gab ihm Feuer. Er spürte, da kam gleich etwas Bemerkenswertes aus seinem Mund. Möglicherweise sogar etwas, das ihr Leben für immer verändern würde.
»Findet raus, wer sonst nicht auf die Party eingeladen worden ist! Ladet sie ein! Wir treffen uns um Acht bei mir.« Szombathy blies eine Rauchwolke aus und knackte mit den Fingerknöcheln. »Es wird Zeit, dass wir unser eigenes Ding abziehen!«
13
Wien, 11. Oktober 2012
G ernot stand vor der angegebenen Adresse und wunderte sich. Gumpendorfer Straße und Hausnummer waren korrekt, aber weit und breit sah er kein Juweliergeschäft. Neben dem Portal des Mietshauses mit der dieselrußgeschwärzten Stuckfassade befand sich links eine Trafik und rechts ein Installateur. Beide Geschäfte beherbergten keine Goldschmiedewerkstatt, auch nicht im Hinterzimmer. Gernot kontrollierte die Visitenkarte, alles stimmte. Bis auf den Umstand, dass sich die Goldschmiede Pogitsch nicht von ihm finden lassen wollte. Vielleicht war er an dem Geschäft vorbei gelaufen, als er völlig in Gedanken versunken von der U-Bahn-Station am Mariahilfer Gürtel her spaziert war?
Gernot drehte um und marschierte bis zur letzten Kreuzung zurück. Na fein, da war er jetzt wieder beim Lutherplatz mit seinen Bäumen und der evangelischen Kirche samt marokkanischer oder maurischer Fensterrosette. Sehr schön, aber leider falsch! »Was tun, sprach Zeus, die Götter sind besoffen«, flüsterte Szombathy und versuchte es wieder an der fraglichen
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