Macht: Thriller (German Edition)
Schmuckstücken lagen auf den Arbeitsflächen oder waren in Karteikastenladen zusammengestaucht. Ohne Zweifel waren es dieselben wie jene Tüte, die Gernot jetzt aus seiner Gesäßtasche holte und zwischen sich und Pogitsch auf die Tischvitrine legte.
»Ist er das?«, fragte Pogitsch in körpervollem Bariton.
Gernot nickte und lehnte sich zurück. Er beobachtete, wie Pogitsch den Ring aus dem Beutel kippte und ihn zwischen seinen Fingern hin und her bewegte.
»Was wissen Sie über den Ring?« Pogitsch runzelte die Stirne.
»Nicht viel. Ich habe ihn von Gabriel Fuchs, er hat ihn gefunden. Auf dem Grab von Otto Weininger. Aber das wissen Sie ja bereits.« Gernot zögerte kurz, dann fügte er hinzu: »Ist es ein SS-Ring?«
»Weil ein Totenkopf drauf ist?« Der Goldschmied schmunzelte. »Die meisten Leute denken bei einem Totenkopfring immer gleich an die SS. Ist schon beinahe ein Reflex.« Er lachte in seinen Bart hinein. »Aber SS-Ringe sehen anders aus.«
»Aha!« Gernot schlug die Beine übereinander. »Haben sie schon viele braune Stücke gesehen? Ich dachte, die fallen unter das Wiederbetätigungsgesetz.« Er räusperte sich und versuchte, seiner unbedachten Bemerkung ein verbindliches Lächeln hintanzustellen. »Jedenfalls bin ich sehr froh, dass unser Ring nichts mit der SS und den Nazis zu tun hat.«
Pogitsch warf Gernot einen kühlen, abschätzenden Blick zu. »Es kommen öfters Leute zu mir, die Orden aus dem Dritten Reich und dergleichen mehr repariert und renoviert haben wollen, ja. Ich habe schon so Einiges gesehen, glauben sie mir.« Der Goldschmied winkte ab und zückte eine Juwelier-Einschlag-Lupe. »Die Paragraphen des Gesetzes besagen, besitzen dürfen Sie das alles. Sie dürfen sammeln, ich darf damit arbeiten, aber weder Sie noch ich dürfen solche Objekte handeln. Also falls Ihr Ring, was ich – wie gesagt – nicht glaube, mit der SS zu tun hätte, bräuchten Sie keine Bedenken haben, ihn zu behalten. Aber vielleicht sollten Sie ihn nicht unbedingt tragen, um Verwechslungen zu vermeiden.«
»Warum sind Sie sich auf den ersten Blick so sicher, dass der Ring nichts mit der SS zu tun hat?«
Pogitsch legte die Lupe zur Seite und winkte Gernot näher. »Die beiden gekreuzten Knochen sind unterhalb des Schädels, der uns en face mit seinen Steinaugen anblickt. Ein SS-Totenkopf ist im Halbprofil, die Knochen hinter dem Kopf, unterhalb der Schädelkapsel gekreuzt. Schädel und Schiene Ihres Ringes gehören nicht zusammen, sie wurden zusammengefügt. SS-Ringe bestehen aus einer massiven Silberschiene, mit Symbolen und Runen dekoriert. Sie sind nicht punziert, und falls sich eine Gravur darauf befindet, Namen des Trägers und Verleihungsdatum zum Beispiel, enthält diese niemals eine Null. So lassen sich ohne viel Aufwand Fälschungen identifizieren. Manchmal, wie im Falle des SS-Ehrenrings, sind sie mit einem Schädelrelief versehen. Jedoch diese Köpfe sind keine applizierten Verzierungen, so wie bei ihrem Ring. Auf den Ehrenringen sind keine Steine gefasst. Steine sind, falls sie für SS-Schmuck überhaupt verwendet worden sind, was ich bezweifle, sehr sehr selten. Ich habe jedenfalls noch nie einen gesehen. Quod erat demonstrandum, wie der Lateiner sagt, kein SS-Ring.« Pogitsch hielt sich die Lupe vors Auge, dass er aussah wie ein Zyklop, ein einäugiger Riese aus den Sagen der griechischen Antike. Er zog die Mundwinkel etwas nach unten und machte ein kaum hörbares Grunzgeräusch. »Wenn Sie gehofft haben, die Steine wären Rubine, muss ich Sie leider auch enttäuschen, es sind Granate. – Mit hundertprozentiger Sicherheit kann ich es Ihnen aber erst nach der Analyse im Labor sagen. Die ist allerdings sehr teuer und steht in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Wert der Steine.«
»OK. Dann lassen wir das. Ich vertraue auf ihr Wort.«
»Damit fahren sie am besten, glauben sie mir.« Pogitsch begann mit der Untersuchung der Innenseite. »Keine Gravuren. Schlecht. Schädel und Reif sind punziert. Das ist gut, und spricht ebenfalls gegen Ihre SS-Theorie. Mithilfe des Silberstempels können wir Ort und Zeit der Entstehung auf die Verwendungsdauer der Punzen einschränken. Ist ein Meisterzeichen dabei, wissen wir auch, in welcher Werkstatt der Ring hergestellt oder wer ihn später um den Kopf mit den Knochen erweitert hat. Ich erkenne Windspiel und Kleeblatt. Das Windspiel an der Schiene, das Kleeblatt am Kopf.«
»Und? Was bedeutet das?« Gernot setzte sich auf seine Hände und beugte sich
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