Macht: Thriller (German Edition)
Mund leuchtete auf. Genau wie ihre Augen.
Ein plötzlicher Gedanke durchfuhr Gernot siedend heiß: Josi! Wenn er von den beiden Schlipsträgern wirklich verfolgt worden war, und die Betonung lag auf »WENN«, was ist dann mit Josi? Was, wenn die Typen plötzlich bei ihr auftauchen?
Gernot fischte den schwarzweißgestreiften Softpack mit der Weltkugel aus seiner Tasche, nestelte eine Smart heraus und drehte sie zwischen den Fingern. Ob er Josi anrufen sollte?
»Hier ist Rauchen verboten!«, keifte eine Dauerwelle herüber.
»Rauche ich? Nein!« Gernot streckte die Zunge heraus und drückte die Zigarettenspitze mehrmals dagegen.
Die Dauerwelle erstarrte, und ein Raunen ging durch den Waggon.
Gernot erntete lilahaarige Bewunderung und tadelnde Nichtraucherblicke. Er bekam im Moment mehr Aufmerksamkeit, als ihm lieb war. Er stand auf und ging weiter nach vorne. Der Tabak nesselte auf seinen Geschmacksbläschen, die Stelle schmeckte scheußlich. Er klemmte sich die Smart um des lieben Friedens willen hinter das Ohr und steckte sich einen Kaugummistreifen in den Mund.
Gernot horchte auf. Er bildete sich ein, »Also sprach Zarathustra« von Richard Strauss zu hören. Um sicher zu sein, tastete er an seine Seite. Die Sakkotasche vibrierte. Um ein Haar hätte er den Anruf versäumt. Szombathy las noch rasch den Anrufernamen. Er hoffte, »Josephine Mahler« auf dem Display zu sehen. Er machte ein enttäuschtes Gesicht und hob ab. »Ernstel, du Ratte, was kann ich für dich tun?«, scherzte er und presste das iPhone gegen sein Ohr.
»Ned jetzt, Gernot. Wir zwei san heut ned im Kabarett. Leider«, brummte Chefinspektor Wotruba. »Ich hab schlechte Nachrichten für dich. Sehr schlechte.«
15
J osephine Mahler trieb in der Mitte eines Flusses aus Kaffee. Das Himmelsgewölbe über ihr war grau und wolkenverhangen. Dürre Bäume und verlassene Gehöfte an Land. Auf der Uferböschung standen sieben fette und sieben magere Kühe, die muhten und Josephine beim Vorbeitreiben anglotzten. Gabriel Fuchs, ein schmächtiger Sechzehnjähriger, tollte zwischen dem Fleckvieh über die Weide. Hinterher stapfte im selben Alter Gernot. In schlabbrigem T-Shirt, Westernstiefeln, die Hände in den Hosensäcken und eine Zigarette im Mundwinkel.
Der Fluss verwandelte sich zu einem Hochwald bei Nacht. Josephine stolperte eine Forststraße entlang. Der Weg verlief schnurgerade bis hinter den Horizont. Gernot und Gabriel als Erwachsene schlossen links und rechts zu ihr auf, und sie marschierten gemeinsam weiter. Die Wipfel der Fichten zu beiden Seiten des Weges neigten sich einander zu und verhüllten den Himmel. Nur der große Vollmond im Zenit blieb frei.
Josephine erschrak. Es raschelte im Unterholz. Drei Skelette stiegen aus dem Dickicht. Sie versperrten den Wanderern den Weg und zeigten mit Knochenfingern vor sich auf den Boden. Drei Schädel lagen zu ihren Füßen. Einer trug eine Krone, einer eine Narrenkappe und der dritte den speckigen Hut eines Bettlers. »Welcher von den Dreien sind wir gewesen?«
Josephine wusste keine Antwort auf die Frage der drei Skelette. Sie sahen doch alle gleich aus, bestanden nur noch aus Knochen. Sie drehte sich hilfesuchend nach Gabriel um.
Gabriel wurde leichenblass, sein Hemd quoll voll mit dem Blut aus der Wunde über seinem Herzen. Er lächelte Josephine freundlich wie immer an, nahm die Hand eines Knochenmannes und verschwand im Schwarz zwischen den Stämmen.
Da begriff Josephine, dass Gabriel, Gernot und sie diese Skelette selbst waren. Sie wollte schreien, aber kein Ton kam heraus. Sie wollte laufen, aber die Beine versagten.
»Josi, Josi«, tönte es aus allen Richtungen. Der Wald lichtete sich, es wurde heller und die Totengeister verblassten. Und wieder klang »Josi, Josi!« zu ihr durch, und sie spürte die Wärme einer Hand in der ihren.
Josephine riss die Augen auf und setzte sich auf. »Wo bin ich?« Sie bekam keine Antwort. Grelles Licht blendete sie und es roch nach Desinfektionsmitteln. Die Bettwäsche war gelb mit weißen Linien gewürfelt und vor ihrer Nase baumelte ein Triangel aus Kunststoff. Sie lag in einem Spitalsbett des Allgemeinen Krankenhauses. Auf dem Stuhl neben ihrem Bett saß ein Mann. »Wer sind Sie?«, stieß sie hervor. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie Gernot Szombathy. Natürlich! Es war seine Stimme gewesen, die sie gerufen und geweckt hatte.
Gernot wirkte beschämt, ja ertappt. Er zog die Hand von ihrer Decke und lehnte sich zurück.
»Was hat mir dieser
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