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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
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erwachte aus ihrer Erinnerung. Die Möbel, die Bilder, alles so vertraut und doch völlig fremd. Vieles hatte sich seit damals verändert, mehr als ihr zunächst bewusst geworden war. Sie hob eine Fernbedienung von einem Beistelltischchen auf und staunte. Die Wohnung war vernetzt und alles funktionierte auf Knopfdruck, das Licht, die Rollos, die Stereoanlage und der Plasmabildschirm.
    Gernot war in seiner ebenfalls rundumerneuerten Küche beschäftigt und klapperte mit Tellern und Besteck.
    Josephine beobachtete, wie er vier Baguettes in den Herd schob. So häuslich kannte sie ihn gar nicht. Aus dem schlaksigen Teenager war ein Mittdreißiger mit versteckten Talenten geworden, der obendrein noch gut aussah, ein bisschen wie Jogi Löw, der deutsche Fußball-Bundestrainer, mit Bart. Josephine warf der Play Station 3 unter dem Fernseher einen kritischen Blick zu. Nichts in Gernots Haushalt deutete auf die Gegenwart einer Frau in seinem Leben. Aber er war immer schon ein Mann auf den zweiten Blick gewesen, das war wohl sein Schicksal.
    Josephine schlüpfte an der Küchentür vorbei zu den hinteren Zimmern. Dort hatte der Loser’s Club sich zum ersten Mal versammelt, 1994, vor einer gefühlten Ewigkeit. Zwischen halblackierten Raumschiffmodellen, Bücherregalen und einem schreibtischfüllenden Commodore Amiga Computer. An der Schranktür klebte ein Poster von Demi Moore. Josephine hatte sich angesichts der durchtrainierten Demi sofort fett gefühlt. Ob es in dem Raum hinter dieser Tür noch wie früher aussah, achtzehn Jahre später? Vielleicht gab es sogar noch die Bettbank? Die grellbunt gemusterte, bei der man beim Anschauen eine Sonnenbrille gebraucht hätte. Die Couch, auf der sie Gernot das erste und einzige Mal geküsst hatte.
    Vorsichtig steckte sie den Kopf in Gernots früheres Jugendzimmer. Sie lehnte die Stirn gegen die Türzarge und seufzte. Das Zimmer war komplett leer. Bis auf den Staub in den Ecken.
    »Suchst du etwas Bestimmtes?« Gernot wischte sich die Hände in einem Geschirrtuch ab. Ein dunkler Schatten huschte über sein Gesicht.
    »Nein! Oder doch. Die Vergangenheit, glaube ich«, lächelte Josephine und schloss schnell die Tür.
    Szombathy erwiderte ihr Lachen und seine Miene erhellte sich. Er warf sich das Tuch über den Unterarm, vollführte einen Kratzfuß und ging voraus ins Esszimmer.
    Sie aßen und tranken schweigend. Josephine verfolgte Gernots Mienenspiel. Entweder dachte er gerade angestrengt über ein Problem nach, oder er erzählte sich im Geist ein paar Anekdoten und kommentierte sie auch.
    »Es tut mir leid, ich wollte nicht schnüffeln«, brach Josephine das Schweigen, das seit dem Vorfall vor dem Kinderzimmer zwischen ihnen stand, und rutschte auf dem Stuhl hin und her. Sie vermied erst Gernot direkt anzusehen, dann nahm sie seine Hand. »Ich wurde nur auf einmal so …«
    »Nostalgisch?« Gernot nahm den letzten Bissen, zog seine Hand zurück und schmunzelte beim Kauen. »Dabei hatte ich das befriedigende Gefühl, die Vergangenheit hinter mir gelassen zu haben.«
    Josephine schluckte und schaute zur Balkontür hinaus. An einem Futterhäuschen zwischen feinsäuberlich gestutzten Rosensträuchern tummelten sich aufgeplusterte Meisen. Warum war Gernot eigentlich nicht auf Arbeit? Was machte er den ganzen Tag? Die Armaturen in Bad und Küche polieren, Gärtnern und Vögel füttern? Wovon lebte er? Unwillkürlich musst sie an Udos Worte von gestern Abend denken: Computerspiele und Internetpornos.
    »Findest du es nicht auch eigenartig, dass wir vom Loser’s Club schon so früh gewusst haben, was wir später einmal werden würden?« Josephine legte das Besteck zur Seite und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. »Ich meine, ich habe weg gewollt, weit weg. Am besten in eine andere Kultur. Je exotischer desto besser. Darum hab ich begonnen, Völkerkunde zu studieren. Erst in Wien, dann in Deutschland. Gabriel hat schon mit sechzehn gewusst, dass er Pfarrer werden wollte. Darum haben wir ihn ja auch Reverend genannt.« Sie entfaltete die Serviette, wischte sich Mund und Finger ab und legte den Kopf schief. »Jeder vom Loser’s Club hat bei seinem Beitritt einen Namen bekommen, der, wie ich gestern zu meiner Verblüffung feststellen konnte, die spätere Berufswahl vorweggenommen hat. Nur du nicht, Gernot. Warum eigentlich? – Was wolltest du damals werden?«
    »Erwachsen.«

17
    I rgendein kluger Mensch hat einmal gescherzt, ein Wiener ginge in seinem Leben zweimal ins Museum. Das erste Mal

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