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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
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Handwerker zu fordern. Nicht nur Regress für die schadhaften Saiten, sondern für den gesamten verlorenen Spendengewinn.
    Otto Weininger rannte durch die Nacht, die Salami unterm Arm. Wo sich verstecken und verkriechen? Er konnte laufen so schnell er konnte, so weit wie er wollte, egal wo er auch Unterschlupf fand, er selbst war immer dabei. ES war immer mit. Es schlummerte in ihm, das Böse. In ihm lauerte ein Mörder, er hatte es immer schon gewusst. Das war der Jude in ihm! Ihn zu bannen hatte es nicht gereicht, zum Protestantismus überzutreten. Die lüsterne Verderbtheit des Volkes seiner Mütter, niemals konnte er ihr entrinnen.
    Weininger ließ sich auf den Bordstein sinken und weinte bitterlich. Heiße Tränen liefen ihm die Wangen herunter, er presste die Salami an seine Brust und schluchzte laut. Es gab nur eine Lösung, lediglich einen Ausweg, Artur konnte sagen und tun, was er wollte. Und wenn er ihm die Waffe wieder wegnimmt, wird er eben einen anderen Weg finden, das Unvermeidbare zu tun. Tingley, die alte Schlampe, hatte ihn gleich durchschaut. Das Böse begehrte ihn, es verlangte so sehr nach ihm, er musste es töten. Weininger holte den silbernen Totenkopfring aus seiner Tasche und bedeckte die Granataugen mit Küssen. Nur die Brüder sprachen die Wahrheit. Es gab allein einen Weg, das Böse in ihm zu vernichten, und das Gute der Einheit und Allheit innerhalb des Horizonts anheimzugeben: Er musste den Körper töten und die Seele befreien. Aber nicht hier, nicht jetzt. Er musste sein Opfer an einem Ort darbringen, an dem der Geist gewirkt hatte.

20
    U do Kernreiter legte auf und streichelte den Telefonhörer. Die Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen war ihm soeben von Gernot erteilt worden. Udo schwenkte die Tasse Yogi-Tee unter seiner Nase und sog an dem Aroma aus Zimt, Kardamom, Ingwer, Nelken und schwarzem Pfeffer. Das reinigte Körper und Geist. Mit verklärtem Lächeln las er noch einmal die Postkarte in seiner Hand: »Lieber Udo, Frohe Ostern! Ich schenke dir dieses Buch in Hinblick auf vergangene und kommende Ereignisse. Ich wünsche dir aufschlussreiche Stunden mit Otto Weiningers › Geschlecht und Charakter ‹ , Braumüller Verlag, Zwölfte unveränderte Auflage, Wien und Leipzig 1910. Ich freue mich schon auf die Erkenntnisse, die wir zusammen daraus ziehen werden. Alles Liebe und Gottes Segen, Gabriel.«
    Udo nahm einen Schluck Tee, drehte die Postkarte um und betrachtete die Wiener Version des Turmbaus zu Babel, dem Meisterwerk von Pieter Bruegel dem Älteren von 1563. Am Fuß des Großen Turmbaus war mächtig viel los, es wuselte wie auf einem Ameisenhaufen. Die Babylonier hämmerten, putzten, schufteten. Sie kletterten auf Gerüsten, trieben Pferde an oder schöpften Wasser. Das neunstufige Bauwerk wuchs über einen Felsenberg vom Strand bis in die Wolken. An den Kaimauern des Hafens und vor der Insel lagen Hochseesegler. Im Vordergrund verneigten sich Bauleute vor einem König.
    Udo bettete die Postkarte zwischen die Seiten seiner Ausgabe von »Geschlecht und Charakter« und verstaute das Buch in seiner Hanf-PURE Schultertasche. Es war ja so klar, dass der Chaot Gernot den Schlüssel zu Gabriels Code vergessen hatte. Aber bevor Udo mit ruhigem Gewissen an dem Treffen des Loser’s Club teilnehmen konnte, musste er noch etwas in Ordnung bringen. Er zog den Ausdruck aus dem Druckerausgabefach, stellte den Tee ab und griff sich eine Rolle Klebeband.
    Buddhafiguren lächelten zwischen quietschbunten Ratgeberbuchrücken und tibetischen Gebetsfahnen aus den Regalen. Bronzene Shivas tanzten auf ihren Sockeln. Ganesha in all seinen Emanationsformen Made in China schlängelte mit hunderten Armen. Der Esoterikladen gegenüber der griechisch-orthodoxen Kirche, im Hof eines der alten Häuser am Fleischmarkt, war Udos ganzer Stolz, sein Lebenswerk. Schade, dass er nicht genug abwarf. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel, der vielfältigen Präsenz Ganeshas zum Trotz. Der elefantenköpfige Hindugott sollte eigentlich Unternehmern das Geld in die Kasse spülen.
    Udo seufzte und rückte im Vorbeigehen die Teeschachteln zurück in Reih und Glied. Die Leute kamen herein, begafften und betatschten alles, aber kauften nur selten. Am allerwenigsten die Touristen. Heute hatte er erst ein Tarot-Set und eine Schutzengelfigur verkauft. Und es verblieben nur noch zwei Stunden bis zur Sperrstunde, um das Tagesumsätzchen aufzubessern.
    Kernreiter entzündete ein Räucherstäbchen, zog sich das Paar

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