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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
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Waldviertler Gesundschuhe aus und kletterte auf Stricksocken in die Auslage. Er versetzte einen der Dreamcatcher und klebte die Kundmachung mit dem Klebeband an die Schaufensterscheibe.
    »Die heutige Gesprächsrunde › Gesundes Leben – Schamanistisches Heilseminar ‹ entfällt leider aufgrund Krankheit des Vortragenden. Ein Ersatztermin folgt. Bitte um Ihr Verständnis!«, konnte jetzt jeder lesen, den es interessierte oder der sich durch den historischen Torbogen in den Hof verirrte.
    Udo ließ den Kopf hängen und stierte gedankenversunken durch die Auslagenscheibe. Sein Blick verfinsterte sich. Er hatte jetzt endgültig die Nase voll. Die Situation geriet völlig außer Kontrolle, und jemand musste diesem Treiben ein Ende bereiten. Wenn die Anderen unfähig waren, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, musste eben er die Initiative ergreifen und den Riegel vorschieben, bevor noch jemand zu Schaden kam. Das musste endlich aufhören, ein für alle mal.
    Udo hob den Telefonhörer ab und gab die Nummer der nächst gelegenen Wachstube in die Tastatur ein. Die Leitung war frei, aber niemand ging an den Apparat. Udo ließ es läuten und band sich derweil die Schuhbänder zu. Endlich meldete sich die Polizeiinspektion Laurenzerberg. Kernreiter entschuldigte sich für die Störung, bat um Verständnis und erläuterte dem Beamten die moralische Zwickmühle, in die er ebenso unerwartet wie unbeteiligt geraten war. Er forderte Schutz und Hilfe.
    Die kleine Messingbimmel über der Eingangstür läutete. Jemand betrat den Laden. Udo bedankte sich bei dem Polizisten für den versprochenen Beistand und legte auf. Er schloss die Lider, horchte auf seinen Atem und aktivierte das Kehlchakra, das fünfte der sieben Hauptchakren und den Sitz der Kommunikation. Nach der kleinen Konzentrationsübung fuhr er sich mit den Handflächen von der Stirn an die Hüften, schüttelte die Arme aus und machte einen Schritt zur Seite, aus dem abgestreiften Weltschmutz heraus. Jetzt war er bereit, sich seinen Besuchern auf feinstofflicher Ebene zu öffnen, den Gästen ein Glas Tee anzubieten und ein Beratungsgespräch zu beginnen. Udo zauberte ein Lächeln in sein Gesicht und drehte sich um. Wenn es ihm gelang, Vertrauen zu etablieren und Verständnis zu erwecken, nahmen sie bestimmt etwas mit.
    Ein Mann mit verhuschter Frisur und Krankenkassenbrille suchte zwischen den Devotionalien nach Orientierung. Der Bartlose ging maximal auf die Vierzig zu, kleidete sich aber wie ein sportiver Sechzigjähriger. Er trug Cordhose, Zippverschluss-Stiefeletten, einen Rautenpullover und darüber eine Regenjacke von Jack Wolfskin . Der Aufdruck seiner Kunststoffumhängetasche verriet, dass sie das Geschenk bei der Teilnehmerregistrierung für die EMCSR gewesen war, das 21. Europäische Treffen zu Kybernetik und Systemwissenschaften , das vom 10. bis zum 13. April am Unicampus Wien stattgefunden hatte. Mit geschultem Blick machte Udo die Umrisse eines iPads und mehrere Kugelschreiber in der Umhängetasche aus. Udos Urteil stand fest. Vor ihm stand ein verirrter HTL-Ingenieur oder Naturwissenschaftler, der sein Geschäft mit einer Touristeninformation verwechselte.
    »Wenn Sie ins Café Diglas wollen, das ist nebenan«, informierte ihn Udo säuerlich.
    Der Mann suchte den Wirrwarr des Ladens nach dem Sprecher ab. Als er Udo erspäht hatte, freute er sich und marschierte schnurstracks auf ihn zu. »Hallo!«, rief er mit unverkennbarem Berliner Akzent.
    Auweia, dachte Udo und schüttelte freundlich die Hand des Eindringlings. »Herzlich willkommen! Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich suche den Eigentümer des Geschäftes, Herrn Udo Kernreiter. Ist er da? Oder kannst du mir sagen, wo ich ihn finden oder erreichen kann?«
    Mir war nicht klar, dass wir per Du sind, ärgerte sich Udo. »Ich weiß nicht. Mit wem habe ich denn das Vergnügen?«, lächelte er.
    »Steuben, mein Name. Doktor Steuben. Aus Berlin!« Steuben riss erwartungsvoll die Augen auf. Als er sah, dass sich in Udos Gesicht rein gar nichts regte, öffnete er seine Tasche und holte eine Postkarte heraus. »Ein Freund hat mir geraten, ich soll mich an Udo Kernreiter wenden, falls er selbst verhindert ist oder ihm etwas zugestoßen sein sollte.« Er überreichte Udo die Karte.
    Udo zog die Brauen nach oben. Er hielt den Großen Turmbau aus dem Kunsthistorischen Museum in der Hand. Er betrachtete die Rückseite. Kernreiter schluckte und bemühte sich um ein Pokerface. »Wo haben Sie das her?«, wollte er

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