Macht: Thriller (German Edition)
in die Hände. »Zsammpacken und Abrücken, Burschen! Die Aufwärmrunde ist vorbei, jetzt geht’s zu unsrem richtigen Einsatz. Zwei bleiben da, sichern den Tatort und warten bis die Kollegen von der Spurensicherung da sind. Ein Dritter macht mir unten den Steher! Los! Los! Wir haben nur noch wenig Zeit!«
»Und wir?«, wollte Josephine wissen.
»Euch zwei Christkindeln nehme ich mit«, erwiderte Wotruba emotionslos. »Die ganze Sache gefällt mir nicht, da hab ich euch lieber im Auge. Ich nehm euch zwar nicht in U-Haft, aber wir müssen dringend miteinander plaudern.« Er kratzte sich am Kinn und legte die Stirn in Falten. »Außerdem will ich euch beide jetzt dabei haben. Die kleine Stimme in meinem Kopf sagt mir, dass auch der Mörder nichts dagegen hat. Im Gegenteil.« Er schaute zu der Leiche hinüber. Das war die Handschrift des Killers, der Gabriel Fuchs auf dem Gewissen hatte. Was er mit dem symbolbefrachteten Wahnsinn bezweckte, lag für Wotruba allerdings noch völlig im Dunkeln. »Mehr über die Sauerei da erfahren wir dann im Koat von den Kollegen der Spurensicherung und den Kapplständern, die die Aussagen der Nachbarn und der Ehefrau des Opfers aufgenommen haben.« Wotruba seufzte. »Hoffentlich sind keine Gendarmösen dabei. Die Ladies nehmen so was immer so persönlich.«
Josephine verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und wohin nehmen sie uns mit, wenn ich das auch erfahren dürfte?«
»Sie dürfen, Frau Doktor, Sie dürfen.« Wotruba steckte die Hände in die Hosentaschen und ging weg. »Sobald wir dort sind.«
»Ernstel, wo fahren wir hin?« Gernot zog die Brauen zusammen und hielt den Chefinspektor zurück.
Wotruba hob den Kopf. Er schaute erst auf Szombathy, dann zu Josephine hinüber und zog einen Mundwinkel nach oben. »Ganz Kavalier heute, hm? Ist sonst gar nicht deine Art.« Er wurde schlagartig ernst und zeigte Gernot seine geballte Faust. »Also gut. Ich hab einen anonymen Tipp bekommen. Um 10:00 geht’s rund mit der Paula. Die Frau Doktor zieht brav den Kopf ein. Und von dir, Kamerad, will ich kein Debattieren mehr, sonst kriegst du den Hau! Alles klar? Los jetzt, die Zeit rennt. Wir fahren zu Lilly Fuchs und ihren Großeltern.«
27
G ernot schob vorsichtig den gehäkelten Vorhang zur Seite. Der WEGA-Mann vor dem Fenster war mit der Ligusterhecke an der Grundstücksgrenze nahezu verschmolzen, erst das zweite Mal Hinsehen verriet seine Position. Gernot suchte weiter. Vergeblich. Aber er wusste, die Beamten lauerten auf ihren Posten, in den angrenzenden Gärten, auf dem Dach und in den Fahrzeugen auf der Straße. Er zollte den Polizisten Respekt. Der Garten von Familie Gerber, Sophies Eltern, bot nur wenig Deckung. Ein gründlich gemähter Rasen, eine Konifere, ein Steingarten und ein Carport mit einem Mittelklasse-Audi, VW oder Skoda darunter. Über allem thronte ein Wald aus Satellitenschüsseln. Wie aus dem Baumarktkatalog, und genau wie auf den anderen Parzellen der Siedlung. Eine echte Vorstadtidylle. Gernot nestelte eine Zigarette aus der verknautschten Verpackung. Er fand es zum Kotzen.
Josephine saß mit Oma Gerber und Lilly am Tisch. Das Mädchen zeichnete mit ernstem Gesichtsausdruck. »Was malst du da, meine Kleine?«, erkundigte sich Josephine und beugte sich über das Blatt.
Lilly reagierte nicht, zog weiter Linien und Kreise auf den Zeichenblock vor ihr.
»Ich weiß es auch nicht«, vermittelte Frau Gerber. »Aber sie zeichnet nichts anderes. Wir haben schon eine ganze Sammlung. Immer dieselben Linien, Rechtecke und Kreise.«
»Sieht aus wie ein Diamantmandala. Ist es das?« Josephine streichelte dem Mädchen über das Haar. »Zeichnest du Mandalas? Hat dir das deine Betreuerin gezeigt?«
Lilly schwieg. Sie verzog keine Miene, zeichnete einfach weiter.
Gernot trat hinter die Drei und beäugte die Zeichnung. »Auf mich wirkt das eher wie ein Computerchip. Die offenen Enden sind die Schaltungen der Leiterplatte, die die Chips untereinander vernetzen.«
»Das ist ja mal wieder typisch für dich«, schmunzelte Josephine. »Du siehst überall nur deinen Elektronikschrott. Genau wie früher.«
Oma Gerber bemerkte die Zigarette in Szombathys Hand. »Soll ich Ihnen einen Aschenbecher bringen?«
»Nein, danke.« Gernot betrachtete die sauberen Gardinen, das Nippes und die Häkeldeckchen. »Das ist ein Nichtraucherhaushalt. Und das Kind ist da. Ich gehe nach draußen. Machen Sie sich keine Umstände.« Gernot hob den Kopf und lauschte. In
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