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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
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unmittelbarer Nähe des Hauses ertönte ein Geräusch wie das Brechen eines trockenen Astes. Eine Autohupe blökte. Danach war es wieder ganz still. Ein Fahrzeug brummte auf der Straße vorbei. Die Pendeluhr zeigte 10:30 Uhr. »Wo ist Ernstel?«
    »Chefinspektor Wotruba ist auf der Toilette.« Frau Gerber wirkte etwas verlegen.
    »Und ihr Mann?«
    »Ist oben und ruht sich ein wenig aus.«
    »Ich gehe eine rauchen.« Szombathy bedeutete Frau Gerber sitzenzubleiben. »Das ist schon in Ordnung. Bleiben sie beide hier bei Lilly.« Gernot steckte sich die Smart in den Mundwinkel und verschwand durch die Verandatür.
    »Darf ich die anderen Bilder sehen?«, bat Josephine und verfolgte interessiert, mit welcher Gewissenhaftigkeit Lilly die Formen aufs Papier brachte. Die Geraden und rechten Winkel sahen aus wie mit dem Lineal gezogen, und die Kreise waren formvollendet wie mit einem Zirkel geschlagen. »Und sie zeichnet wirklich immer dasselbe?«
    »O ja! Ich hole die Mappe.« Oma Gerber stand auf und ging die Treppe nach oben.
    Lilly war mit ihrer Zeichnung fertig, riss das Blatt ab und begann sofort mit der nächsten.
    »Darf ich?« Josephine griff nach dem Zeichenblatt. Von Lilly kam weder Zustimmung noch Ablehnung, also nahm Josephine das Bild an sich und vertiefte sich in die Formen. Sechs abgestufte und parallele Rechtecke, die zur Mitte hin immer enger wurden. Im Zentrum drei enger werdende Ringe, die Zwischenräume mit Kreisen gefüllt. Es waren deutlich zwei Achsen als Ausnehmungen zu erkennen, die von den Seitenmittelpunkten ausgingen, sich auf dem zentralen Punkt kreuzten und von oben nach unten und von links nach rechts kreuzförmig das Muster zerteilten. Den Bildmittelpunkt bildete ein ausgemalter Kreis mit einem weiteren Rund darin, das nicht bemalt war und wie ein Loch erschien. Rechts unten im Eck bemerkte Josephine noch etwas. Auf den ersten Blick dachte sie bei der winzigen Skizze an eine Ameise. Beim genaueren Ansehen wurde aus dem linkischen Insekt ein kleines Männchen. Ein Michelin -Männchen mit großem runden Kopf und bauschigen Armen und Beinen, das auf die Linien guckte. Josephine schluckte. Ein Astronaut.
    Josephine legte das Blatt ab und beugte sich zu Lilly hinüber.
    Das Mädchen begann rechts unten mit der Zeichnung. Lilly war hoch konzentriert, ihre Zungenspitze lugte zwischen den Lippen hervor. Den Buntstift hielt sie verkrampft zwischen den Fingern. Lilly wurde unzufrieden und nahm den Spitzer zur Hand. Sie drehte den Stift an der Klinge bis die Miene wieder ganz spitz war. Was sie zu Papier brachte, benötigte Präzision. Es war winzig. Es war der Astronaut.
    Josephine hörte leises Wimmern und blickte auf.
    Josephine schaute in die schreckgeweiteten Augen von Frau Gerber. Sie sprang auf, aber ihre Bewegungen gefroren. Erst jetzt bemerkte sie die Pistole mit Schalldämpfer, die gegen Oma Gerbers Wange gedrückt wurde. Josephine hob die Hände und glitt langsam auf den Stuhl zurück. Das Mädchen an ihrer Seite blieb ruhig, zeichnete einfach weiter.
    Der breitschultrige Schwarze legte den Zeigefinger auf seinen Mund und presste Frau Gerber auf einen Sessel.
    »Freeze!«, knurrte Wotruba. Mit einer Hand schloss er seine Hose, mit der anderen zielte er auf den Mann im schwarzen Anzug. »Hab ich dich, Bimbo! Waffe auf den Boden und Hände in den Himmel!«
    Josephine hielt sich die Ohren zu. Da war wieder dieses scheußliche Knacken aus dem Pfarrhaus. Die Glastür und mehrere Tassen im Geschirrschrank hinter Josephine zerbrachen wie von Geisterhand. Sie packte Lilly an den Schultern und riss sie mit sich unter den Esstisch. Wotrubas Glock polterte auf den Fliesenboden. Josephine musste aus ihrer Deckung mitansehen, wie der Chefinspektor auf die Knie ging und vornüber kippte. Ein Paar Füße tauchte in der Tür auf. Wo um alles in der Welt steckte Gernot?

28
    G ernot zog das Sakko aus, lief mit eingezogenem Kopf um das Haus herum und verfluchte die moderne Gartenästhetik. Wo waren die knorrigen Laubbäume von einst, in deren Äste man klettern konnte? Wo die herbstlichen Laubhaufen, die nicht nur den Igeln, sondern auch ihm Schutz bieten konnten? Er erspähte die Silhouette eines Wachpostens vor der Eingangstür. Keine Uniform, keiner von uns! Gernot ließ sich auf den Bauch fallen. Gleiten, Szombathy!, befahl er sich im Stillen. Wie hatte er es gehasst, damals bei der Grundausbildung. Dreck, Schlamm, Regenwürmer und Gott weiß was war ihm beim Kragen hinein und bei den Hosenstulpen wieder

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