Macht: Thriller (German Edition)
»Das Voynich-Manuskript?«
Udo verschluckte sich, stürzte auf Josephine zu und entriss ihr die Seiten. »Die sieben Töchter der Eva … Die Anatomisch-balneologische Abteilung !«, japste er und strich über das Faksimile. »Das Buch, das niemand lesen kann!«
»Ihr zwei kennt das?« Wotruba plumpste neben Gernot auf die Couch. »Die schwangeren Weiber in den Badewannen sehen aus, als hätte sie ein Kind gezeichnet.«
»Ein Kind gezeichnet?! – Die Liste der Besitzer dieses Buches liest sich wie das Who-is-Who des Geheimwissens!« Udo war ganz aufgeregt. »Der Autor des Manuskriptes ist wahrscheinlich der zur Prophetie begabte Franziskanerpater Roger Bacon gewesen. Der mittelalterliche Mönch und Wissenschaftler. Der, auf den sich William von Baskerville in Der Name der Rose beruft, wenn’s eng für ihn wird. Das ist fantastisch …« Udo befeuchtete seine Lippen. Das war mehr, als er zu hoffen und zu fürchten gewagt hatte. »Das Buch gelangte über verschlungene Pfade in den Besitz des Alchimistenkaisers Rudolf II. in Prag. An seinem Hof übergab es Rudolf den kundigsten Gelehrten des siebzehnten Jahrhunderts, um seine Geheimnisse zu enthüllen. Vergeblich! Der Hofpharmazeut des Kaisers Jakub Horcicky de Tepenec, der große John Dee – immerhin der Mathematiker, Astronom und Berater der englischen Königin Elisabeth I. – und sogar der Jesuitenuniversalgelehrte Athanasius Kirchner bissen sich an der Entschlüsselung des Manuskripts die Zähne aus. Aus dem Nachlass des Jesuiten Kirchner gelangte es in den Besitz der Päpstlichen Universität Gregoriana . Seit der Auflösung des Kirchenstaates Mitte des neunzehnten Jahrhunderts schlummerte es in einem Jesuitenkolleg, dem Nobile Collegio Mondragone in einer Villa bei Frascati. Dort hat es der Archivar Wilfrid Michael Voynich 1912 wiedergefunden. Drum heißt das Voynich-Manuskript so.« Udo seufzte und strich über die Seite. »Nein, das hat kein Kind gezeichnet! – Bis heute ist es nicht gelungen, die Schrift oder auch nur die Sprache, in dem das Manuskript verfasst worden ist, zu entschlüsseln. Es ist eines der größten Mysterien des Okkulten!«
»Oder ein riesiger Bluff! Ein Hoax !« Josephine verschränkte die Arme.
»Hahaha! Ein Hoax ? Was soll das bitte bedeuten?« Udo machte einen Schritt von Josephine weg.
»Das bedeutet, dass es sich bei dem Voynich-Manuskript um eine Fälschung handelt!« Josephine richtete sich auf. »Okay! Es ist alt. Sehr alt sogar. – Trotzdem ist es ein Betrug. Die Sprache und die Schrift lassen sich nicht identifizieren. Weil beides weder das eine, noch das andere ist. Die Zeichen bedeuten rein gar nichts. Es ist Unfug! Eine systematische und plakative Aneinanderreihung von Symbolen und Illustrationen. Gemacht, um Leichtgläubigen das Geld aus der Tasche zu leiern. Bereits im Spätmittelalter, als die Alchimie boomte, sind Reiche und Mächtige bereit gewesen, Unsummen für Geheimwissen auszugeben. Je komplizierter der Code, je geheimnisvoller die Bilder, desto besser. Rudolf hat ein Vermögen für das Buch hingeblättert.«
Udo keuchte und richtete den Zeigefinger auf Josephine. »Das ist Blödsinn! Namhafte Experten haben klargemacht, dass sich der Kode durchaus an den Regeln und Normen einer Sprache orientiert. Die Chiffren entsprechen in ihrer Anordnung und Silbenzahl richtigen Worten. Experten haben gesagt, es könnte sich um altes Englisch handeln. Roger Bacon lebte und wirkte in England! – Die Illustrationen weisen allerdings nach Südeuropa, da die bei Gebäudedarstellungen verwendeten Schwalbenschwanzzinnen nur in der Architektur Norditaliens üblich gewesen sind.«
»Wie gesagt, ich habe nie bestritten, dass es ein mittelalterliches Buch ist. Von mir aus auch gerne aus Norditalien. Das erhöht nur die Chancen, dass es zu Rudolf auf den Hradschin gelangt. Aber es wird schon seit dem siebzehnten Jahrhundert gemunkelt, dem Manuskript sei die Hauptrolle in einer Hofintrige zuteil geworden, Kaiser Rudolf II. aufgrund seiner überaus kostspieligen Neigung zum Okkulten der Lächerlichkeit preiszugeben und ihn zugunsten seines Bruders Matthias bei Adel und Volk unmöglich zu machen.« Josephine runzelte die Stirn. »Aber was für Experten waren das, auf die du dich berufst? Fachmänner der Eingeweideschau?«
Wotruba und Gernot schmunzelten sich an.
Josephine bekam keine Antwort. Gut, musste sie eben selbst. Und sie konnte Namen nennen. »Gordon Rugg von der britischen Keele-Universität hat sich eingehend mit der
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