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Macht und Rebel

Titel: Macht und Rebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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begriff er, dass sich die Welt inzwischen etwas verändert hatte und es nicht mehr genügte, mit dem Schießgewehr im Wald herumzulaufen, wenn man etwas bewirken wollte. Er kam wieder nach Hause, watschelte durch einen Halbjahreskurs in EDV und entwickelte abgefahrene Visionen von den Möglichkeiten einer »elektronischen Rebellion«. Er richtete ein »Computerlab« ein – mit drei fest angestellten Hackern, und zwar BEVOR '93 das Internet so richtig losging – und krähte stolz überall herum, er sei die »sechste Macht im Staate«. Wenn jemand tollkühn genug war, ihn zu fragen, welche denn die fünfte sei, gab er mehr als gern Lektionen über politische Ignoranz zum Besten. Die Begriffe, mit denen er um sich warf, waren Klischees, bevor er sie laut aussprach: »Cyber-Pirates«, »A Virus in the Societal Organism«, »Revolution at the Speed of Light«, »Errorism«, »Wild Wild Web«, »Electronic thug-life«, »GuErilla«, »Public E-nemy No. I«, » Cryptonite for the Super-Structures«, »W.w.w.arriors«, »rEmEdy for thE nExt gEnEration« und was sonst noch alles mit E drin. Ein halbes Jahr lang oder so hörten die Leute ihm sogar zu, aber dann wurde er verhaftet, nachdem er in das Datenarchiv der Zentralbank eingedrungen war, und es war Schluss mit lustig. Er bekam sechs Monate Gefängnis, bis dato die höchste verhängte Strafe für Computerkriminalität, und ich kenne niemanden, der nicht vor Scham erröten würde, wenn er an die Bilder von »Fatty als Märtyrer der Revolution« denkt, die zwei Tage lang in den Medien kursierten: Leiderstam beim Einsteigen in die grüne Minna, rechts und links von Polizisten flankiert, die fetten Arme kreuzförmig gespreizt, der reinste Jesusjude, eine Zigarre in der Hand, sein Fett in ein T-Shirt geschossen mit der Aufschrift Public E-nemy No. I. Als er freikam, war ihm die Zeit davongelaufen. Sein Hackerladen war beschlagnahmt, die Hard- und Software waren rettungslos veraltet, und für einen Neuanfang fehlten ihm die Mittel; seine Hacker hatten Anstellungen gefunden zu Gehältern, die noch fetter waren als you-know-who. Fatty musste ganz von vorn anfangen. Er bildete sich ein, er verfüge immer noch über den Status eines Cyber-Gurus, und versuchte, sich in Wirtschaftskreisen zu promoten als der »Netzberater, der die hellen und dunklen Seiten des Webs kennen gelernt hat«. Bekannten gegenüber behauptete er, er nutze sein Beratungsangebot, um »in die Höhle des Löwen« vorzudringen und »the rules of the game of Big Business« zu lernen, lauter so Scheiß. Und ganz offenbar lernte er tatsächlich VERDAMMT viel, denn nach einem Gurujahr wanderte er WIEDER vor Gericht, diesmal wegen Geheimnisklau bei einer Offshoregesellschaft und Verkauf der Infos an die Konkurrenz, um, wie er es sagte, »zu spalten und Goliath gegen Goliath aufzuhetzen«. Sie brummten ihm eine astronomisch hohe Geldstrafe auf, die er immer noch nicht abbezahlt hat; die beiden betroffenen Konzerne standen in den Medien supergut da, denn sie hatten kooperiert, um Fattys kriminelle Umtriebe aufzudecken, anstatt, wie es in einer Zeitung hieß, »die halbseidenen Möglichkeiten zu nutzen, die die õSpalte-und-zerstöre-Technikã des selbst ernannten Gurus geboten hätte«. Fatty musste sich nach einem neuen Betätigungsfeld umsehen und nahm sein Politik- und Informatikstudium wieder auf, um »etwas Fleisch auf die Knochen« zu bekommen. Einer seiner Dozenten, Prof. McNavaro, beeinflusste ihn zutiefst mit seinen am Fließband produzierten Theorien à la »Die privatwirtschaftliche Tyrannei sieht die Demokratie als echte Bedrohung an. Die stetig zunehmende Konzernpropaganda unterminiert die Demokratie, daher muss sie im Namen der Demokratie mit allen Mitteln bekämpft werden.« Fatty war ja so, so einverstanden. In blinder Gefolgschaft beschloss er, »to Fight Fire with Fucking Fire« (FFFF) und hatte die Eingebung, Markenpiraterie zu betreiben mit dem Ziel: »die Konsumlogik fistfucken, bis sie nur noch AAAUUUFHÖREN! BIIITTE! schreit«. Er riss sich den Profit unter den Nagel, den die halbrevolutionäre Gruppe STAATAN auf ihren Flohmärkten verdient hatte, und reiste in den Fernen Osten, um dort unter dem Namen PUSH sein Schmugglergeschäft aufzuziehen. Ein paar Mal ließ er sich nach Strich und Faden betrügen, dann geriet er an den Thailänder Kok Bang, der sich als relativ vertrauenswürdiger Krimineller erwies, so vertrauenswürdig, dass er zum Beispiel keine Verträge »vergaß« und stattdessen mit

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