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Macht und Rebel

Titel: Macht und Rebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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konzentriert sich auf seinen Stuhlgang, der leider nicht besonders kooperativ ist.
     
    Heute Abend, am Freitag, kann Macht zwischen drei Festen wählen. Er MÜSSTE sich auf allen dreien zeigen, überlegt aber, welches das wichtigste ist. Das eine ist die Vernissage-Party von Sharoos Mohammed, einem pakistanisch/afghanischen »Künstler«, der sich mit einer großen Unterschriftenkampagne in der »Kunstwelt« etabliert hat, bei der es darum ging, weitere »Kunstausstellungen« als solche zu unterbinden, da die »Kunstinstitutionen« allesamt in mancherlei Hinsicht chauvinistisch und diskriminierend seien; die meisten Angehörigen der hauptstädtischen »Kunstszene« haben bereits unterschrieben, also beschließt Macht, dass es sich nicht weiter lohnt, heute Abend bei Pakis-Sharoos aufzukreuzen; die Leute tun ihre Ethnopflicht nicht gern öfter als einmal. Das zweite ist ein von WODDY, einer NODDY-Tochter, veranstaltetes Branchentreffen in einer Striptease-Bar, das dritte eine private Party zu Hause bei Mona Short. Illona Short betreibt einen »unabhängigen« Verlag – Illona Short Publishing –, in dem u. a. Gretchen Etterbergs Buch über die sozialen Konsequenzen von allgemeiner Übersozialisierung erschienen ist, einen Begriff, den die Autorin bei Ted Kaczynski geliehen hat. Macht hat schon länger nicht mehr mit Gretchen gesprochen, also beschließt er, erstmal zu Illona Short zu gehen und dann ein bisschen bei WODDY im Stripclub vorbeizuschauen. Es ist neun Uhr.
    Gretchen Etterberg ist ziemlich hübsch, abgesehen davon, dass sie sich ihren Hintern bei all dem Geschreibe platt gesessen hat. Heute Abend hat sie sich rausgeputzt, ebenso wie Illona Short und die restliche Festgesellschaft. Über dem Hemd trägt Macht eine Lederjacke, die derjenigen von De Niro in Taxi Driver zum Verwechseln ähnlich sieht, eine braune Lederjacke mit Aufnäher am linken Oberarm; insgesamt sieht er aus wie eine junge skandinavische Ausgabe von De Niro. Gretchen war eine ganze Zeit ziemlich scharf auf Macht gewesen, aber er war ehrlich, wie immer, und hat mindestens zwei Mal zu ihr gesagt:
    »Ich mag DEINE Art zu kommunizieren, Gretchen, aber die Art, wie dein HINTERN kommuniziert, mag ich nicht. Deswegen wird das nichts mit uns … ich BRAUCHE einen … ja, einen … wohlartikulierten Hintern als Gegenüber.«
    Und Gretchen, die einem etwas verjährten Verständnis des Begriffs der New-Lad-Kultur anhängt (irgendwann in den 90ern hat sie in The Independent gelesen, das New-Lad-Phänomen sei dadurch entstanden, dass in England ein Überschuss von 230000 Babyboomer-Frauen im Alter zwischen 30 und 39 Jahren herrschte, die sich mit der Tatsache abfinden mussten, dass die Jungs einfach ALLZU VIEL Auswahl hatten), Gretchen also entschuldigt Macht damit, dass er ganz sicher ein Opfer allzu großer Auswahl ist, der Ärmste. In Wahrheit ist Macht einfach nur ehrlich bezüglich des Hinterns. (Macht findet, dass der Jugend von heute, die immer nur auf dem Hintern sitzt und sich Medienscheiß reinzieht, ein schweres Problem droht, nämlich UNHINTERIGKEIT – platte Hintern, kombiniert mit Sinnverlust; was sich natürlich auch auf Angehörige der schreibenden Zunft übertragen lässt).
    Außerdem hat Gretchen dank ihrer Studien an übersozialisierten Menschen solche Menschen schätzen gelernt, die NICHT übersozialisiert sind, also genau solche wie Macht. Macht ist ein soziales Talent, und wie alle sozialen Talente weiß er genau, welche Normen es zu befolgen gilt und welche nicht. Gretchen hat Folgendes ermittelt: Übersozialisierte Menschen sind in aller Regel unbegabt. Die mangelnde Begabung macht sie empfänglich für Phänomene wie Hypertoleranz, Rassismuspanik, Gleichheitshysterie und Unterschiedlichkeitsblindheit – Phänomene, die sich unter dem Begriff Diktatorischer Humanismus zusammenfassen lassen; so lautet denn auch der Titel ihres Buchs. Vor diesem Hintergrund akzeptiert sie gern, wie Macht sein Desinteresse mit ihrem Hintern begründet.
    »Ein begabter Junge«, denkt sie.
    Als Macht zur Tür hereinkommt, streben Gretchen und Illona sofort auf ihn zu. Sie wissen, dass Macht »ständige Research im Gegenkulturmilieu« betreibt, was auch immer sie sich darunter vorstellen mögen; sie haben keinen blassen Schimmer davon, dass er ihre flachen Ärsche an die Konsumindustrie verscheuert. Beide pflegen jedes Mal, wenn sie ihm begegnen, ihre jeweiligen Projekte vor ihm auszubreiten; auch die »unabhängige« Subkultur braucht

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