Macht und Rebel
zum fünften Mal Alex Careys Changing Public Opinion: The Corporate Offensive, dann steht er auf und bestellt Taking the Risk Out of Democracy bei Amazon. Splitterfasernackt sitzt er vorm Computer, bis er ein Hemd anzieht, das bis auf die letzte Faser dem von Robert DeNiro in der zweiten Einstellung von Taxi Driver gleicht. Er schlüpft in ein neues Paar NIKE-Kopien, dann fährt er mit der U-Bahn runter zu NODDY, von wo aus er Thomas Ruth von T.S.I.V.A.G. anruft und ungefähr das hier sagt:
»DJ Franceman kann euch heute um zwei treffen, also, wenn ihr einen Scoop landen wollt, taucht ihr besser auf.«
Ruth taucht auf und Franceman taucht auf und ein Vertrag wird unterschrieben. Hinterher nimmt Thomas Ruth Macht beiseite und bedankt sich bei ihm; er habe nicht nur den Finger am Puls der Zeit, er sei der Puls der Zeit. DJ Franceman seinerseits hatte keine Ahnung gehabt, dass derart viel Geld dabei rumkäme, und ist so zuckerfreundlich, wie ein übellauniger DJ nur sein kann. Er besteht darauf, Macht zum Abendessen einzuladen, bevor er abreist, Macht versucht das abzuwehren, Franceman lässt nicht locker. Sie verabreden sich um sechs im LOOP.
NODDY hat für Macht heute noch eine Sitzung anberaumt, mit dem Konzern FRAÎCHEUR. Dort fragt man sich, ob man nicht eine Hardcore-Sektion in der hauseigenen Zeitschrift einrichten soll, so dass die dann nicht mehr FRONTLINER, a Schlachtplatte of Theory, Art, Music, Economy and Style hieße, sondern FRONTLINER, a Schlachtplatte of Theory, Art, XXX, Music, Economy and Style. Macht sagt, natürlich sollen sie das tun, solange sie nicht zu viel Aufhebens darum machen. Vor allem auf dem Cover sollte möglichst nichts Pornografisches auftauchen, und sie sollten öfter mal bisschen was Pornotheoretisches oder Kritische Theorie mit reinnehmen, zur »Horizonterweiterung«. So dass der Porno in Theorie verpackt ist wie auf dem Markt der Fisch in Zeitungspapier.
»Kritische Theorie wirkt für das Objekt der Kritik stets bestätigend. Genau wie das Alternative in der letzten Runde immer das Etablierte bestätigt. In der ersten Runde bestätigt das Etablierte das Alternative, aber in der letzten Runde bestätigt das Alternative das Etablierte. So geht das. Und bekanntlich zählt die letzte Runde«, sagt Macht. »Legt los.«
Er zischt nach Hause, zieht sich um und schreibt zehn Mails, bevor er ins LOOP geht, zu seinem Abendessen mit Franceman. Seine Mail an den Marketingreferenten von NIKE lautet:
Frank Leiderstam, den ich gestern erwähnte, veranstaltet morgen Abend eine wesentliche Sache, zu der ich nike gern Zugang verschaffen kann, falls ihr interessiert seid. Ich würde vorschlagen, du schickst Robert und gehst nicht selber hin, dein Alter könnte etwas out of place wirken. Bei Interesse bitte rasche Antwort.
Macht
DJ Franceman wirft bei dem Abendessen nur so mit Geld um sich, aber Macht ist weder an dem, was das Restaurant zu bieten hat, sonderlich interessiert, noch an Francemans Ausführungen. Würde DJ Quellwasser hier vor ihm sitzen, das wäre etwas ganz anderes. Der Tiefststand ist erreicht, als Franceman mit kaum unterdrückter Begeisterung berichtet, er habe GANZ ALLEIN das Konzept für die Hülle seiner nächsten CD entwickelt. Die CD soll »Dubya« heißen. Er zieht einen Designentwurf hervor:
Der Untertitel des Albums lautet – nicht besonders überraschend – õMcPoliticsã. Macht reibt sich die Augen, nickt abwesend und wünscht sich immer stärker, dass Quellwasser vor ihm säße. Quellwassers letzte CD hieß »I«, den Umschlag zierte das Bild eines steifen Schwanzes. Das groovt schon mehr, wenn man Macht fragt, der sich gerade angesichts von Francemans T-Shirt gruselt, auf dem steht abcdefghijklmnopqrstvwXXXyz (I can read and you can ride). Aber es geht noch weiter bergab. Schon seit ein paar Monaten findet Macht, der Weg in den Untergrund ist ein Holzweg, und jetzt kriegt er Wasser auf seine Mühlen, als Franceman das »Statement« hervorzieht, das er in seinem CD-Folder abdrucken will. Als Einleitung hat Franceman ein paar Reflexionen zu seiner Funktion als DJ gedichtet: (…) a DJ for the anarcho-syndicalist noise (…), (…) an anchor man for the social spectacle (…), (…) a sampler for the fragmented generation (…), usw. Daran schließt sich eine »politische« Ausführung an, die unter anderem folgende Schlagworte enthält: (…) the transformation from Citizen to consumer (…), (…) the growth of corporate propaganda to undermine
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