Macht und Rebel
Scheiß um die Ohren. Ich SCHEISS auf Kleidung, ja, ich brauch nichts, ich hab genug, aber bei mir liegt eben immer was von Fattys Mist rum, nicht wahr. Deswegen seh ich aus wie ein beschissener Idiot. Schau dir das mal an!« Er dreht Macht den Rücken zu, quer über das weiße Kapuzen-Sweatshirt steht von einem Schulterblatt zum anderen
»Machst du bei PUSH mit oder was?«, fragt Remmy.
»Nee«, sagt Macht und starrt ihm unverwandt in die wild flackernden Augen.
»Freu dich. Treibst du sonst so? Hab dich noch nie gesehen, oder?«
»Weiß nicht. Ich mach so das eine und andere. So Subkultur- this-and-that, wie alle hier.«
»Ja, Scheiße, da bist du hier nicht allein mit«, sagt Remmy verdrossen. Macht überlegt blitzschnell und findet: am besten, er gießt Öl ins Feuer:
»Ich weiß, aber ich hab mit den Idioten hier nicht viel gemein …« Er deutet auf die Gästeschar.
»Mit wem von denen hast du denn Probleme?«
»Ich hab die Bücher von ein paar von den Jungs da gelesen, nur zum Beispiel«, Macht nickt zu Sören Martinsen und seinen Mitschreiberlingen in der Ecke hinüber, »und ich kann nur sagen, wer ein Buch mit so einem Satz eröffnet: õEin neues Buch anzufangen ist wie das Anlegen eines Waffenlagers für die Widerstandsbewegungã, ja, der ist einfach nicht mehr ganz richtig im Kopf.«
Macht schaut Remmy an, gespannt auf dessen Reaktion.
»Wassagstduda?! HÄH?!?! HÄÄÄH?!?« Remmy Bleckners Augen werden so groß wie CDs. Offenbar hat Macht ins Schwarze getroffen, »HÄÄÄ?!? Was hat der geschrieben, sagsdu?«
»õEin neues Buch anzufangen ist wie das Anlegen eines Waffenlagers für die Widerstandsbewegungã«, wiederholt Macht.
»HÄÄÄH? Wer genau war das? Zeig ihn mir, damit ich hingehe und ihm die Nase einschlage!«
»Der da drüben mit dem rasierten Schädel und der Brille und dem Turtleneck-Pullover.« Macht deutet mit dem Finger Richtung Schreiberlingsecke. Remmy schüttelt den Kopf und spuckt auf den Boden.
»SÖREN MARTINSEN? HAT DER IMMER NOCH NICHT GESCHNALLT, DASS ES ALLMÄHLICH REICHT?«, schreit er und bewegt seine einhundertneunundneunzig Zentimeter überraschend schnell zur Autorenversammlung.
KLATSCH!
»ÄÄÄH! ÄÄÄÄH! DU HAST MIR DIE NASE GEBROCHEN! WÄÄÄ! UHUHUUU!«, schreit Sören Martinsen; das Blut strömt ihm aus beiden Nasenlöchern. Seine Kumpel springen mannhaft auf und verstecken sich im Nachbarzimmer. Eine Nanosekunde lang herrscht Totenstille in der Wohnung, alle drehen sich um und sehen Remmy Bleckner vor dem blutenden Sören Martinsen stehen. Remmys weißes Kapuzensweatshirt hat auf Höhe des Bauchnabels eine kleine Dusche Autorenblut abbekommen, denn als die Nase brach, stand er, während Sören saß. Sören Martinsen jault wie abgestochen, als er sieht, wie seine Hände sich mit Blut füllen.
Dann geht eine Aufregung los, die rasch beschrieben ist: Da alle vor Ort »Subkulturarbeiter« sind, kann oder will keiner von ihnen körperlich gegen Remmy Bleckner antreten; mit anderen Worten, es sind Feiglinge. Eine Gruppe, vor allem Frauen, geht zu ihm hin und fragt, ob er denn VERRÜCKT GEWORDEN sei, ob er DEN VERSTAND VERLOREN habe und so Sachen. Es wird wirr durcheinander geredet; eine neue Gruppe Frauen nähert sich ihm und fordert ihn auf, Illona Shorts Wohnung SOFORT zu VERLASSEN. Was Remmy Bleckner mehr als gern tut. Er blickt Sören Martinsen unverwandt an und zückt den Zeigefinger in seine Richtung, während er rückwärts zur Tür geht. Der tränenüberströmte Sören Martinsen seinerseits würde gern Illona Short erläutern, dass er nicht wirklich weine; ein harter Schlag auf die Nase setze eben die Tränenproduktion in Gang, doch sein Maul ist so voller Blut, dass er nur gurgelnde Laute hervorbringt und ihr hellgelbes Festkleid mit kleinen Bluttröpfchen besprüht. Diese Bluttröpfchen enthalten übrigens seltenes genetisches Material, das in einer wirklich unglückseligen Kombination mit dem seiner Lebensgefährtin Sara Armbrus ihrem bereits gezeugten, doch noch nicht geborenen Sohn das so gut wie inexistente Moweys-Syndrom bescheren wird, was wiederum Sören Martinsens Zeit derart beanspruchen wird, dass er sein gegenkulturelles Geschreibsel an den Nagel wird hängen müssen – ein Glück für den Rest der Welt –, aber das weiß zu diesem Zeitpunkt noch niemand, er selbst inklusive. Als Remmy Bleckner aus der Tür ist, schreit er ihm »VERFLUCHTES ARSCHLOCH!« nach und schwört im Blutnebel, er werde »Bleckner aus der
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