Macht und Rebel
Bestätigung, und dadurch, wie Macht ihnen beiden begegnet und mit ihnen diskutiert, befriedigt er ihren Bestätigungsbedarf ganz hervorragend.
Am anderen Ende der Wohnung steht David Ignatius, Journalist, Autor und Aktivist, und schwitzt in seinen neuen NIKES wie Sau. Er ist in Gretchen verliebt und wird in ein paar Monaten ebenfalls ein Buch veröffentlichen, ebenfalls bei Illona Short. Beides ist aber nicht der Grund für seine Schweißfüße. Die haben damit zu tun, dass Remmy Bleckner auf ihn einredet. Die meisten Menschen, denen das widerfährt, kommen ins Schwitzen. Zu Remmy Bleckners Vorteil sei aber auch gesagt, dass David Ignatius' neue NIKES alles andere als atmungsaktiv sind.
Es ist unklar, wie Remmy Bleckner auf dieses Fest geraten ist. Freilich ist er durchaus »alternativ« und »bewusst« genug. Allerdings ist er beides im Übermaß, das ist das Problem. Natürlich hat auch das »alternative« und »bewusste« Milieu wie alle Milieus einen knallharten Kodex, wie »alternativ« und »bewusst« man sein muss, und Remmy Bleckner ist derart »alternativ« und »bewusst«, dass es an Folter grenzt. Seit er zwölf Jahre alt war, ist Remmy Bleckner ein animal politicus. Ja, er hat sich selbst verschiedentlich sogar als politisches Raubtier bezeichnet, eine nicht ganz unzutreffende Charakterisierung. Seine Laufbahn als Extremaktivist startete er bereits in der Grundschule, indem er sich im Büro des Rektors verschanzte – mit dem Rektor darin –, weil dieser den schriftlichen Antrag des zwölfjährigen Remmy abgelehnt hatte, die Schule nach einem von Bakunin inspirierten anarcho-syndikalistischen Modell umzuorganisieren. Dass Klein-Remmy zwei, drei Jahre vor seinen Kameraden in die Pubertät gekommen und bereits einen Meter siebenundachtzig groß war, machte die Sache für den Rektor und seine Kollegen nicht gerade leichter. Sie mussten die Polizei alarmieren. Nach sechsstündiger Belagerung gelang es fünf Beamten endlich, das Büro zu stürmen und den kreischenden Remmy der Länge nach auf den Schulhof zu schleppen, wo sie ihn auf den Boden drückten und eineinhalb Stunden lang aggressiv auf ihn einreden mussten, bis er versprach, nicht wieder auszurasten, wenn sie ihn losließen. Er versprach es, hielt es aber nicht, sondern brach im weiteren Verlauf der Ereignisse noch drei Nasen und sieben Rippen. Eine Versöhnung mit der Staatsmacht kam für Remmy seither nicht mehr in Frage.
Insgesamt gelang es Remmy, eins neunundneunzig groß zu werden. Ähnliches vermochte David Ignatius nicht. Ignatius pubertierte nämlich sehr spät, und als es endlich so weit war, wuchs er kaum noch. Er reicht Remmy Bleckner so ungefähr bis zum Brustbein – sowohl körperlich als auch geistig, kann man wohl sagen. Doch jemand, der dummdreist genug ist, ein Buch mit dem Titel The Activist Bible: a Theoretical and Practical Guide for The Political Activist (Illona Short Publishing) zu schreiben, der muss auch ertragen, dass Remmy Bleckner ihm Zunder gibt. Bleckner hat im Gesprächsverlauf Ignatius bereits als »so verpennt wie ein Komapatient und dümmer als ein Aborigine« bezeichnet.
Macht schaut zu Remmy Bleckner rüber. Ihm ist klar, dass die Aufgabe des Abends darin besteht, mit ihm ins Gespräch zu kommen, ebenso wie es die morgige Aufgabe sein wird, dasselbe mit Frank Leiderstam zu tun. Er weiß, dass Bleckner und Leiderstam beide top sind. Mit Remmy Bleckner hat er noch nie ein Wort gewechselt.
Während er Remmy Bleckner anstarrt, überzieht Gretchen ihn mit einem gleichförmigen Redefluss bezüglich des Artikels, an dem sie gerade schreibt, es geht darum, dass die Ideale der männlichen Erotik in einer tief verwurzelten Faszination für die Analöffnung begründet sind. Gretchen meint, diese Faszination liege daran, dass Männer »unfähig sind, sich in die Vagina einzuleben«. Macht nickt dazu, während er sich eine Strategie zurechtlegt, an Remmy Bleckner heranzukommen.
»Die Analöffnung ist die einzige Körperöffnung, die Männer kennen, und die einzige, durch die sie sich mental penetrieren lassen können«, sagt Gretchen. »Das ist auch der Grund dafür, dass immer neue Generationen kalifornischer Pornodarstellerinnen mit ausgeleiertem Schließmuskel beim Arzt landen. Diese Mädchen sind der Puffer zwischen dem einen Faktum, dass Männer sich vorstellen können, anal penetriert zu werden, und dem anderen, dass sie sich nicht anal penetrieren lassen können, weil das ihre geschlechtliche Identität
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