Macht und Rebel
Privatlebenreferenzen in Sachen Haare mehrere Jahrzehnte in die Zukunft«, sagt er und lässt die Finger über die Tastatur seines High-Performance-Laptops tanzen; auf dem Großbildschirm hinter ihm leuchtet die Powerpoint-Präsentation auf. Sobald die Liste erscheint, durchläuft ein grunzendes Stöhnen den Vorstand – nicht unähnlich dem Grunzen, mit dem sich gewöhnlich Männer, mutterseelenallein, auf dem Sofa, gern mit Hilfe einer DVD, erleichtern:
Neue L'Oreal-Marken in der Out-of-Bed-Serie:
Out of Hell
Out of the Porn-Set
Out of the Hands of a Rapist
Out of the Flat After Three Weeks of Social Neurosis
Out of Rehab
Out of Money, Job and Social Security
Out of a 20-year Marriage with Mr Hardcore Domestic Violence
Out of Needles, Veins and Heroin
Out of the Cellar of a Belgian Child-Porn-Circle Enthusiast Who Was Formerly a Police-Officer
Out of Excuses to Prevent Dad From Coming in to the Room to Say »Goodnight«
Out of the Northern World Trade Center Tower at 10:29 AM on September 11th, 2001
Out of Cell Poison Against Severe Testicular Cancer
Out of Reasons to Live
Und während er von Applaus überschüttet wird, ertönt im L'Oréal-Gebäude Feueralarm, es brennt lichterloh im Erdgeschoss, alle müssen raus, er packt seinen Laptop zusammen, obgleich der CEO kreischt, er solle alles liegen lassen. Thomas Ruth wird verdammt noch mal nicht mehrere Yottabytes an frechen Ideen für den Haarmarkt des kommenden Jahrtausends in Flammen aufgehen lassen, er baut seinen Laptop ordentlich ab, beschissenerweise geht das Projektorenkabel nicht raus, er muss ziehen und zerren, aber es sitzt felsenfest, die Leute fangen an, in den Gängen zu heulen und zu kreischen, es ist wirklich ernst, so ernst, dass Thomas Ruth schon damit rechnet, unten im Erdgeschoss etliche Studienobjekte für die toughe Haarmode der Zukunft zu linden (lies: Brandopfer), der Alarm wird immer lauter, Thomas Ruth zieht und zerrt fluchend an seinem Laptop, aber es hängt fest, der Alarm jault in seinem Kopf, und als er die Flammen an der Glastür des Präsentationsraums schlecken sieht, fängt er selbst an zu heulen, er schreit im Duett mit dem Alarm, ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ, macht die Augen auf und erkennt, dass das unbegreiflich schrille und laute Klingeln von seinem Telefon stammt; Thomas Ruth, der erwachsene Kerl, sitzt in seinem Bett und schreit im Duett mit seinem Telefon, das schon vierzig Mal geläutet hat, und jetzt ist die schaurige – ja, wirklich schaurige – Frau, die gestern mit zu ihm gekommen ist, endlich auch wach. Sie sagt:
»Nimm endlich ab, Scheiße, Mann«, und Thomas Ruth denkt, dass sie ihn »Mann« nennt, weil sie keinen blassen Schimmer davon hat, wie er heißt, auch er hat keinen blassen Schimmer davon, wie sie heißt, aber wie sie schmeckt, das weiß er, denn den Geschmack hat er immer noch, sagen wir mal … er nimmt das Telefon ab:
»Mmmjahallo?«
»Thomas, it's time to get into those Prada-rags and get your ass down here fast as fuck!«
»Hääh! Hasse? Is that you? Hasse Cashavettes?«
»No, it's King Attila's dick …«
»Ehh … what's up, Hasse …?«
»You gotta get your ass down here fast as hell, Thomas. Forget that it's Sunday and forget the bitch you probably dragged home yesterday, your mission is to get the FUCK down here. And if you don't, you're so goddam fired that you won't know which way your ass went before you live in a fuckin' cardboard-box FULL TIME! See you in TEN minutes!« (Klick).
Thomas Ruth schwingt seine vier Buchstaben aus dem Bett. Die Tussi – es stellt sich heraus, dass sie Frigitte heißt, ein Name, der nicht so ganz und gar zu den suff-akrobatischen moves passt, die sie heute Nacht vollführt hat, und auch nicht zu den Vergewaltigungskomplimenten, mit denen sie ihn bedacht hat – wird stinkesauer; Thomas schlüpft hektisch in seine Klamotten und denkt, so, wie sie aussieht, hat diese Frigitte die Teeniejahre noch nicht hinter sich gebracht, scheiß drauf. Er rast die Treppe runter, springt in ein Taxi und steht exakt zwanzig Minuten nach Ende des Telefonats in Hasses Büro. Um schneller von seiner Wohnung in der Talmongata runter in den T.S.I.V.A.G.-Block zu kommen, müsste er eine F-16 fliegen, aber Hasse ist trotzdem nicht zufrieden:
»When I say TEN minutes, I mean TEN minutes and if you have to fly a fucking Concorde to make it, well that's what you're gonna do, for fuck's sake!«
»Yes«, sagt Thomas Ruth.
»We're fucked, Thomas«, sagt Hasse
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