Macht und Rebel
folgenden Beitrag um die Ohren gehauen zu bekommen:
Dem multinationalen Konzern T.S.I.V.A.G. wird heute in einer umfassenden Anklageschrift herabwürdigende Behandlung des jüdischen Volkes vorgeworfen. Der Sprecher der International Society of Jews (ISJ), George Goldblatt, erläutert in einer Pressemitteilung, das jüdische Volk und Menschen jüdischer Herkunft würden von T.S.I.V.A.G. seit einer Reihe von Jahren systematisch diskriminiert. Außerdem habe T.S.I.V.A.G. aktiv der jüdischen Beteiligung am internationalen Wirtschaftsleben entgegengewirkt.
»Irgendwann ist es genug«, sagt Goldblatt in dem Schreiben, das heute Nacht um ein Uhr Ortszeit veröffentlicht wurde.
»GOD DAMN, FUCK FUCKIN NIGGERBITCHES!«, schreit Hasse den Bildschirm an und wirft die Kaffeetasse an die Wand.
KAPITEL 9
ALLES IST MERKWÜRDIG
Mann, ist das alles merkwürdig. Alles.
Ich denke an die Nacht zurück, und DA taucht in meinem Kopf ein Bild auf, wie ich selber in Nasdaqs Kackender-Hund-Stellung über Thong kauere und ficke, und DA liege ich und schlockere meinen Hodensack an ihr Kinn wie ein bescheuerter Porno-Notzüchtiger, und DA wummere ich in eifrigem Neunziger-Jahre-Rocco-Stil gegen ihren Hintern, aber ich weiß verdammt nicht, ob ich es schaffe, dass mir mein Verhalten wirklich peinlich wäre, ich weiß NICHT, ob ich das bringe.
Alles ist merkwürdig. Ich stehe in Unterhosen oben in Thongs Wohnung am Fenster und schaue auf die Straße und erschrecke darüber, wie ich mich letzte Nacht aufgeführt habe. Ich erschrecke, dass Thong gevögelt hat wie ein Inzestopfer und darüber, wie super ich das fand, und darüber, wie jung sie ist. Und jetzt erschrecke ich darüber, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, dass ich mich so sehr mit den Dingen beschäftige und mir zugleich so vieles so egal ist.
Thong wohnt ziemlich zentral in einem ersten Stock, und ich sehe auf der Straße unterm Fenster alle möglichen Leute vorbeigehen. Einen Typen, der garantiert humanistische Bildung genossen hat, und ich erschrecke darüber, wie sehr er sich dafür hat abmühen müssen. Ich sehe eine superscharfe Blondine und erschrecke darüber, wie sehr sie sich dafür hat abmühen müssen, eine »superscharfe Blondine« zu werden. Ich sehe einen Lohnarbeiter und erschrecke darüber, dass er auf alles scheißt, und ich erschrecke darüber, dass er ein jämmerlicher Lohnarbeiter bleiben wird, bis er tot umfällt, und dass niemand mit der Wimper zucken wird, weil mal wieder ein Lohnarbeiter zugrunde gegangen ist, und ich erschrecke darüber, dass alles zusammenbricht, wenn man nicht genug Lohnarbeiter hat. Ich sehe einen Typen, der mit seinen Kumpels plaudert, ein typisches »soziales« Wesen, wie man das nennt, und erschrecke über seine so wahnsinnig positive Ausstrahlung, er hat beschlossen, alles zu übersehen, was ihn nervt, denn anders kann man gar nicht sozial sein; man MUSS einfach alles übersehen, was nervt. Ich sehe einen Typen, der enorm trainiert hat und erschrecke darüber, dass er es mit seiner Gesundheit so ernst nimmt, und ich sehe einen Typen, der ist ganz schmächtig und untrainiert und oll, und erschrecke, dass er sich so unter die Leute traut. Ich sehe einen, der beim Gehen Zeitung liest, pfui Spinne, und ich denke, wenn ich es über mich brächte, seine bescheuerte Zeitung zu lesen und darin die Kolumne, die er im Gehen liest, dann würde ich wahnsinnig darüber erschrecken, wie eifrig der Autor der Kolumne seine Ansichten darlegt, mir sind derlei »scharfe Beobachtungen« immer saumäßig unangenehm. Dann kommt da ein typischer Meckerpott, der verdrossen auf den Boden schaut, und ich erschrecke über ihn und seine Menschenfeindlichkeit, es ist doch erschreckend, dass jemand sich einbildet, es wäre so »aufschlussreich« oder »interessant«, sich stundenlanges Gemecker anzuhören, und ich sehe mich selbst im Fenster stehen und über alles erschrecken und finde es erschreckend, dass ich nicht einfach auf alles scheißen kann, was so erschreckend ist.
Jede Einstellung, jede Meinung, jeder Lebensstil, jede Haltung, jeder erfüllte Wunsch und jeder Fehler, alles ist so wahnsinnig erschreckend. Und um nur mal ein bisschen weiterzudenken: Wenn alles nur einfach peinlich ist, dann gibt es keinen Grund, ein Schamgefühl zu pflegen. Das habe ich in der letzten Zeit gespürt. Ich verfüge über kein Schamgefühl mehr. Und bin NICHT stolz darauf. Genau das ist der Punkt.
In der ganzen Wohnung liegen haufenweise schlafende
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