Macht Vakuum
stärkere Rolle des Staates zunehmen, weil sie gegen das Chaos außerhalb des eigenen Landes schützt.
Da die einzelnen Staaten immer weniger in die Weltwirtschaft und immer mehr in die Fähigkeit investieren, die Entwicklung in ihrem eigenen Land zu steuern und dort den Informationsfluss zu kontrollieren, wird die Weltwirtschaft sehr viel weniger reibungslos funktionieren als früher. Wir werden erleben, dass die Politik sehr viel öfter und stärker Einfluss auf die Märkte nimmt, und das sowohl innerhalb der Schwellenländer als auch der etablierten Mächte.
Unterschwellig vollzieht sich in dieser Ära des Übergangs eine schmerzhafte und teure Rebalancierung. Einige der dafür notwendigen Hochseilakte sind schon erwähnt worden: Die USA müssen beweisen,dass sie ihre langfristigen finanziellen Verpflichtungen gegenüber China erfüllen können und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Staat wiederherstellen. China muss einen Weg finden, um seine Wirtschaft von Exportabhängigkeit auf verstärkten Binnenkonsum umzustellen. Europa muss dafür sorgen, dass Deutsche, Holländer und Skandinavier nicht dauerhaft ein soziales Netz für Griechen, Portugiesen und Spanier finanzieren. Dies sind unangenehme, aber notwendige binnenstaatliche Richtungsentscheidungen, doch die Welt ist auch mit einer Rebalancierung zwischen Staaten konfrontiert, die wie die USA zu viel konsumieren und zu wenig sparen und die wie China zu wenig konsumieren und zu viel sparen.
Dieser Trend ist nicht politisch gewollt, sondern durch wirtschaftliche Bedingungen erzwungen, über die niemand eine effektive Kontrolle hat, und er fängt gerade erst an zu wirken. Ja, der Machtzuwachs der Schwellenländer innerhalb der bestehenden Institutionen wird sich fortsetzen, und sie werden darauf drängen, dass neue Institutionen gegründet werden. Doch der Zuwachs an Rechten und Vergünstigungen wird sie noch lange nicht motivieren, in der internationalen Politik eine anspruchsvollere Führungsrolle zu übernehmen.
Wir befinden uns in einer Übergangsperiode zwischen der Welt, die wir kennen, und einer Welt, von der wir noch keine Karte zeichnen können. Übergänge dieser Größenordnung laufen nie konfliktfrei ab. Doch der Übergang kann nicht ewig dauern, denn durch die Unfähigkeit und mangelnde Bereitschaft der alten Industrieländer und der Schwellenländer, ihre Anstrengungen zu koordinieren und Kompromisse zu schließen, werden alle Arten von Problemen entstehen, die gelöst werden müssen. Heute in 10 Jahren werden einige der Schwellenländer von heute sehr viel mehr wie alte Industrieländer aussehen und handeln, und das durch die vielen Probleme verursachte Chaos könnte einen neuen Grad der Zusammenarbeit oder gar Koordination zwischen den mächtigsten Staaten der Welt erforderlich machen. Vielleicht aber werden ihre Fortschritte auch durch die Turbulenzen der Übergangsperiode zunichte gemacht, und sie werden in einen mörderischen Konkurrenzkampf um Ressourcen und regionalen Einfluss verstrickt.
Wie viel Schaden durch solche Konflikte heute und in Zukunft entsteht, wird jedenfalls von der Beantwortung einiger wichtiger Fragen abhängen. Können Amerika und China in einer führungslosen Welt auf eine Partnerschaft bauen, die für beide Staaten nützlich ist, oder ist das führende alte Industrieland der Welt mit deren führendem Schwellenland auf Kollisionskurs? Werden die beiden Länder mit neuer Zuversicht oder mit neuen Krisen aus der Zeit des Übergangs hervorgehen? Können die Europäer den Kern Europas erneuern? Wie viele der heutigen Schwellenländer werden die Schwelle zum modernen Industriestaat wirklich ganz überschreiten? Sind wir auf dem Weg zu einem globalen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Zusammenbruch?
In diesem Buch geht es nicht um den Niedergang des Westens oder um den Aufstieg aller anderen Länder. In den kommenden Jahren wird keiner der Akteure die Macht haben, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen. Die G20 funktioniert nicht, die G7 ist Geschichte, die G3 ist ein Wunschtraum, und für G2 ist die Zeit noch nicht reif. Willkommen in der G-Null.
5 WAS KOMMT ALS NÄCHSTES?
Wenn du durch die Hölle gehst,
bleib nicht stehen.
Winston Churchill
Die G-Null ist nicht die neue Normalität, weil sie nicht aufrechterhalten werden kann. Aber genau wie der Zweite Weltkrieg nötig war, damit die Vereinigten Staaten zur Supermacht aufstiegen und das Bretton-Woods-System geschaffen wurde, so bedarf es
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