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Macht Vakuum

Macht Vakuum

Titel: Macht Vakuum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Bremmer
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Bündnis in den ersten etwa 30 Tagen abspielen könnte«. 12
    Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt. Aber wenn China und die Vereinigten Staaten auf direktere Formen der Auseinandersetzung zusteuern und wenn sie viel mehr wirtschaftliche, politische und militärische Macht haben als irgendein anderes Land oder ein anderer Block von Ländern in der Post-G-Null-Ordnung, dann werden wir vermutlich am ehesten das Szenario erleben, das ich als Kalten Krieg 2.0 bezeichne. Dieser Krieg wird vermutlich nicht mit Kampfflugzeugen geführt werden, die auf Flugzeugträgern starten. Vielmehr werden die neuen Kriegswaffen eher wirtschaftlicher Natur sein: Marktzugang, Investitionsvorschriften und der Wert von Währungen. Es könnte auch Cyberangriffe und entsprechende Gegenschläge geben, die darauf abzielen, den Informationsfluss der anderen Seite zu stören oder sogar wichtigeInfrastruktur außer Gefecht zu setzen. Es ist unwahrscheinlich, dass wir irgendwie vorausahnen können, wer einen solchen Krieg gewinnen könnte, oder dass die, die ihn führen könnten, es vorausahnen könnten.
    Der Kalte Krieg 2.0 könnte sich auf mehrere Arten entwickeln: Chinesische Politiker kommen zu der Überzeugung, dass ein immer mehr unter Geldmangel leidendes Washington nicht mehr über die Ressourcen verfügt, um auf dem halben Erdball zu kämpfen, und die militärische Elite dringt bei der chinesischen Führung darauf, Washington unter wirtschaftlichen Druck zu setzen, damit es sich aus seiner asiatischen Einflusssphäre zurückzieht. Washington wiederum kommt zu dem Schluss, dass die amerikanischen Interessen in der Region so wichtig sind, dass es sich einen Rückzug nicht leisten kann. Möglich wäre auch, dass eine Seite einem verheerenden Cyberangriff auf ihr Militär, ihre Finanzmärkte oder ihr Stromnetz ausgesetzt ist, und, zu Recht oder zu Unrecht, zu der Überzeugung gelangt, dass die andere Seite diesen kriegerischen Akt mit voller Absicht geplant und durchgeführt hat. Es folgt ein Gegenschlag, und der Konflikt eskaliert. Vielleicht sterben auch Dutzende amerikanischer Verbraucher an einem fehlerhaften chinesischen Produkt, und das löst einen Handelskrieg aus, der ein Eigenleben entwickelt. Eine offenbar unbegrenzte Zahl solcher potentieller Konfliktursachen könnte zu vielen Arten von Kämpfen führen, und während der Konfrontation könnten sich andere Staaten gezwungen sehen, Partei zu ergreifen.
    Wenn man sich fragt, wie eine solche Konfrontation aussehen könnte, ist es verführerisch, sich am alten Modell des Kalten Krieges zu orientieren: Zwei Supermächte stehen einander mit ihren Atomwaffenarsenalen gegenüber, und die Drohung mit der »wechselseitigen zugesicherten Zerstörung« hält sie davon ab, aufeinander loszugehen. Doch bei diesem Szenario bleibt ein wichtiger Punkt unberücksichtigt: Während des amerikanisch-sowjetischen Konflikts war der Eiserne Vorhang nicht nur die Gefängnismauer, die Invasoren draußen und Gefangene drinnen hielt. Sie war auch ein Puffer zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Welt. Die Sowjetunion war ein wichtiger Energielieferant für Europa, aber andere Handelsaktivitäten zwischen Ost und West waren extrem begrenzt. Die Welt war stärker von einer Art Nullsummenspiel geprägt, in dem eine Seite der anderen Schaden zufügen konnte, ohne den eigenen Interessen zu schaden. Die heutigen US-amerikanisch-chinesischen Beziehungen dagegen sind von einem beträchtlichen Maß an Interdependenz geprägt, von einer »wechselseitigen zugesicherten wirtschaftlichen Zerstörung«, die es beiden Seiten erschwert, der anderen etwas anzutun, ohne sich selbst zu schaden. Die Vereinigten Staaten sind davon abhängig, dass China weiterhin ihre Schulden finanziert. China muss sichergehen, dass die USA ihre Schulden zurückzahlen können und wollen und dass das Geld, das sie benutzen, mehr wert ist als das Papier, auf das es gedruckt ist. Das ist eine beziehungsstabilisierende Kraft.
    Diese Interdependenz sollte man auch dann nicht vergessen, wenn man die eher traditionelle Liste möglicher amerikanisch-chinesischer Krisenherde durchgeht. Im Jahr 2006 veröffentlichte Ted Galöen Carpenter das Buch America’s Coming War with China: A Collision Course over Taiwan. Darin beschreibt er ein Szenario, in dem ein amerikanisch-chinesischer Konflikt wegen Taiwan im Jahr 2013 ein Vierteljahrhundert der Konfrontation auslöst, »da die beiden führenden Mächte der Erde in einen Kalten Krieg verstrickt

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