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Macht Vakuum

Macht Vakuum

Titel: Macht Vakuum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Bremmer
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dringlich wird, in einer Periode der globalen Rebalancierung eine Partnerschaft mit den USA einzugehen.
    Überdies sind G-Null-Krisen, die zu einer Annährung zwischen China und Amerika führen, nicht unbedingt wahrscheinlicher als solche, die die beiden Staaten auseinanderbringen. Ein radikaler Zusammenbruch Nordkoreas wird wahrscheinlich eher einen amerikanisch-chinesischen Konflikt als eine Kooperation zur Folge haben. Amerika würde vermutlich auf einer koreanischen Wiedervereinigung bestehen, obwohl dasmit Kosten verbunden wäre, die kein einzelner Staat tragen könnte. Sie würden die der deutschen Wiedervereinigung weit übertreffen, denn die südkoreanische Wirtschaft ist weniger stark als die deutsche in den 1990er Jahren, und Nordkorea hat nicht einmal annähernd die Ressourcen, über die Ostdeutschland damals verfügte. Peking dagegen könnte für einen neuen nordkoreanischen Staat eintreten, der mit China verbündet wäre und sich nach chinesischem Vorbild schrittweise reformieren würde. Eine solche Meinungsverschiedenheit würde dazu führen, dass sich die Vereinigten Staaten Japan annähern und nicht China.
    Auch ist es nicht sicher, ob eine erneute Konfrontation zwischen Pakistan und Indien Washington und Peking tatsächlich zu einer engeren Zusammenarbeit bewegen würde. Je nachdem, wie der Konflikt beginnt und wie er sich entwickelt, könnte China vielleicht Partei für Pakistan ergreifen, um den Aufstieg Indiens aufzuhalten, und die Vereinigten Staaten könnten Indien unterstützen, um die chinesische Expansion in Asien einzudämmen, um potentiell lukrativere Handelsbeziehungen mit Indien aufzubauen, um die Beziehungen zu einem demokratischen Bruderstaat zu verbessern und um die Bedrohung durch den militanten Islam in Pakistan auszuschalten.
    Außerdem ist es schwer vorstellbar, dass China und Amerika als einzige Länder gestärkt aus der G-Null hervorgehen. Was immer in der Eurozone passieren wird, Deutschland, Frankreich und andere Staaten haben jahrzehntelang politisches Kapital in den Traum von einem einigen und freien Europa investiert. Ihre gut ausgebildeten Arbeitskräfte, ihre Tradition der Innovation und die Widerstandsfähigkeit ihrer Institutionen sind reichlich Grund für die Erwartung, dass Europa seine gegenwärtigen Probleme lösen kann. Japan hat viele Rückschläge erlitten, aber es ist immer noch die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Auch gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass das Wachstum in Indien, Brasilien, der Türkei und anderen Schwellenländern in einem Ausmaß nachlassen wird, dass sie ihren derzeit stetig wachsenden internationalen Einfluss wieder verlieren. Ihr Wachstum kann sich verlangsamen, aber nur eine echte globale Katastrophe könnte sie auf den Stand der 1970er Jahre zurückversetzen.
Konzert der Nationen:
Eine G20, die wirklich funktioniert
    Kann die G-Null selbst eine breitere internationale Kooperation erzwingen? Man stelle sich eine Welt vor, die Washington und Peking allein nicht dominieren können und in der schlichtweg offensichtlich ist, dass internationale Probleme nur unter Beteiligung anderer mächtiger Länder gelöst werden können. Das ist die Welt, in der wir heute schon leben, mit einem entscheidenden Unterschied: Ein Gefühl der Dringlichkeit bewirkt, dass etablierte Staaten und Schwellenländer zusammenarbeiten, Kompromisse schließen und sich die Risiken und Belastungen der Führerschaft teilen. Das wäre eine G20, die tatsächlich funktioniert.
    Dieses Szenario setzt eine Art »Konzert der Nationen« voraus, eine internationale Struktur ähnlich dem sogenannten Europäischen Konzert der Großmächte, das im 19. Jahrhundert Großbritannien, das Russische Reich, Österreich, Preußen und schließlich auch Frankreich in einer Partnerschaft vereinte, die nach der Französischen Revolution und dem Blutbad der Napoleonischen Kriege die Ordnung in Europa wiederherstellte und den Frieden erhielt. Im Jahr 1815 sahen die Monarchen des Kontinents die Gelegenheit, ihre alte Autorität wiederherzustellen. Das Ergebnis war die Institutionalisierung eines Kräftegleichgewichts, das bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs fast ein Jahrhundert später relative Stabilität in Europa herstellte. [11]
    Wie wir gesehen haben, liefert die heutige G20, also die Institution, die einem Konzert der Nationen heute am nächsten kommt, nur dann Ergebnisse, wenn sich ihre wichtigsten Mitglieder genau im gleichen Moment durch genau die gleiche Krise bedroht fühlen

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