Macht Vakuum
– und das auch nur, wenn die Bedrohung unmittelbar ist. Damit durch die G-Null-Ära ein Konzert der Nationen entstünde, müsste diese zunächst eine ganze Serie von Krisen (oder eine einzige wirklich große Krise) auslösen, die die Staaten zur Kooperation zwingen würden. Die Finanzkrise und der Klimagipfel von Kopenhagen zeigen deutlich, wie schwer es ist, eine solche Kooperation zu erreichen. Im Herbst 2008 waren die etabliertenMächte und die Schwellenländer mit einer Banken- und Finanzkrise konfrontiert, bei der alle Dämme brachen. Alle Länder wussten, dass die Überschwemmung gefährlich war, aber keines wusste, wie kalt und tief das Wasser wirklich war. Die Angst führte zu echter Kooperation, die sich zum Beispiel in einem G20-Rahmenwerk für eine globale Regulierung der Finanzmärkte und in einer Rebalancierung des IWF niederschlug. Mit jedem verstreichenden Monat wurde jedoch klarer, dass zwar alle im Wasser standen, aber manche viel tiefer als andere. Es gab Meinungsverschiedenheiten, wie man auf die Krise reagieren sollte. Die Amerikaner waren für Konjunkturspritzen, die Europäer bestanden auf Sparmaßnahmen, und China suchte nach Wegen, um seine langjährige finanzwirtschaftliche Abhängigkeit von beiden Kontinenten zu reduzieren. China, Indien und Brasilien überwanden die Krise viel schneller und leichter als die etablierten Mächte. Alle Länder hatten das Gefühl, sie könnten Aufrufe zum gemeinsamen Handeln ignorieren und sich um ihre inneren Probleme kümmern. Auch in Kopenhagen war allen Regierungen klar, dass die Erderwärmung ein globales Problem ist. Aber bei der Kalkulation der Einzelinteressen stellte sich heraus, dass auch unter diesem Problem manche viel mehr leiden würden als andere. Genauer gesagt, die Bedrohung schien nicht unmittelbar zu sein. Schwellenländern wie China und Indien wären die Auswirkungen einer starken Reduktion der Kohlendioxidemissionen auf ihr Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen viel wichtiger als die Auswirkungen, die eine koordinierte Bekämpfung der Klimaerwärmung auf das Abschmelzen der Polkappen haben könnte.
Bei vielen Arten von Krisen können die Auswirkungen so schlimm sein, dass sie eine institutionalisierte Kooperation erzwingen. Man stelle sich einen Zusammenbruch der europäischen Finanzmärkte vor, der viel schlimmer ist als der von 2008 in den Vereinigten Staaten. Die Schwierigkeiten kleiner Volkswirtschaften greifen auf andere über, die zu groß für eine Rettung sind. Deutschland und andere Kernländer der EU scheuen davor zurück, bei einer gemeinsamen Rettungsanstrengung die Führung zu übernehmen. Schuldzuweisungen werden ausgetauscht, und Banken in den Kernländern, die schlechte Staatsanleihen anderer Länder gekauft haben, können nicht mehr gerettet werden. Die Eurozone kollabiert und Europa zerfällt. Sowohl die Vereinigten Staatenals auch China verlieren einen wichtigen Handelspartner und die Arbeitsplätze, die von ihm abhängen. Die Auswirkungen sind in der ganzen Dritten Welt zu spüren. Das Problem bei dieser Krise wäre das gleiche wie schon bei der von 2008: Selbst bei einem viel größeren Schock für das System wären die Auswirkungen an einigen Orten länger zu spüren als an anderen, und die Versuchung, von der Schwäche anderer Staaten zu profitieren, könnte sich leicht als unwiderstehlich erweisen.
Denkbar wäre auch eine krisenhafte Explosion der Nahrungsmittelpreise: Die steigende globale Nachfrage nach Getreide übersteigt das Angebot, und eine Reihe unvorhergesehener Wetterkatastrophen führt überall in Süd- und Südostasien, in Nordafrika, in einem Großteil Lateinamerikas und in Teilen der früheren Sowjetunion zu einem rapiden Anstieg der Lebensmittelpreise. Riesige Demonstrationen in Russland werden von der Regierung mit brutaler Repression beantwortet, die das Regime bei der Bevölkerung fast seine gesamte Popularität kostet. Aufstände in Indien lassen sich nicht mehr niederschlagen. Venezuela, Thailand und Ägypten versinken im Chaos. Auch in China eskaliert die Gewalt. Aber wie schon erwähnt, werden Schwellen- und Entwicklungsländer immer viel härter von Lebensmittelkrisen getroffen als die Vereinigten Staaten, Europa und Japan, weil die Getreidepreise in diesen Ländern einen geringeren Prozentsatz der Lebensmittelpreise ausmachen und weil ihre Einwohner den größten Teil ihres Geldes nicht für Essen ausgeben. Also wird auch diese Krise nicht alle gleich schwer
Weitere Kostenlose Bücher