Machtkampf
weiteren Vorstoß: »Könnte es nicht sein, dass Sie in der ganzen Angelegenheit befangen sind? Zum Beispiel, weil dieser ein guter Freund von Herrn Mompach war, dem Sie ja auch nahestehen.«
»Nun machen Sie mal halblang, Herr Kommissar«, wehrte sich Benninger, »was soll jetzt diese – verzeihen Sie den Ausdruck – unqualifizierte Verquickung ganz unterschiedlicher Sachverhalte?«
»Wie war das noch mal mit dieser illegalen Feuerstelle hinter Mompachs Scheune? Es hat wohl lange gedauert – sehr lange sogar –, bis die Umweltschutzbehörde des Landratsamtes dem Ganzen ein Ende gesetzt hat, während Sie – so stellt es sich jedenfalls dar – sämtliche Augen zugedrückt haben.«
»Das verbitte ich mir aber!«, wetterte Benninger unerwartet laut los. »Ich brauche mir das als langjähriger Bürgermeister dieser Gemeinde nicht gefallen zu lassen.« Er wurde wieder leiser, womit er aber eher die Bedeutung seiner Person noch stärker hervorheben wollte. »Sie werden verstehen, dass ich mich morgen bei Ihrer vorgesetzten Stelle beschweren werde.«
Häberle blieb gelassen. Er kannte derlei Verhalten noch gut aus Zeiten, als in Baden-Württemberg andere Koalitionen das Land regierten und Männer wie Benninger sehr schnell auf ihre langjährig geknüpften parteiinternen Kontakte zurückgriffen. »Das steht Ihnen frei«, betonte er deshalb, stand auf und sah ihn zum Abschied durchdringend an: »Sie sollten nur aufpassen, dass Sie nicht über eine Tretmine stolpern. Denn ich habe den Eindruck, dass es davon in Ihrem schönen Rimmelbach sehr viele gibt. Ich wünsche noch einen schönen Abend.«
23
Franziska Kugler hatte zum Polizeirevier kommen wollen, doch die Beamten waren damit nicht einverstanden gewesen. Sie solle in Ruhe zu Hause warten, denn es könne sein, dass ihr Mann im Laufe der Nacht wieder heimkomme, hatten sie ihr gesagt. Die meisten Vermisstenfälle lösten sich erfahrungsgemäß von alleine.
Doch daran konnte sie nicht glauben. So lange war Dieter noch nie weggeblieben, ohne sich zu melden. Jetzt war es bereits 1 Uhr in der Nacht, und obwohl mittlerweile eine landesweite Fahndung nach seinem silberfarbenen Mercedes lief und jede Polizeistreife nach dem gesuchten Fahrzeug Ausschau hielt, gab es keinerlei Hinweise. Vielleicht hat sich Dieter ins benachbarte Ausland abgesetzt, durchzuckte es Frau Kugler, während sie sich nervös einen Tee aufgoss und die Nachrichten des ARD-Nachtprogramms hörte. Im Anschluss an die Meldungen wurde sogar dort die Suchmeldung ausgestrahlt, weil nicht auszuschließen war, dass Kugler mittlerweile schon Hunderte von Kilometern zurückgelegt hatte. In der Rundfunkdurchsage hieß es, die Polizei bitte auch Tankstellenbetreiber, auf dieses Fahrzeug mit dem Göppinger Kennzeichen zu achten.
Franziska Kugler zermarterte sich das Gehirn, doch so sehr sie auch nachdachte, es fiel ihr kein Ort und keine Stelle ein, an denen ihr Mann hätte heimlich Zuflucht suchen können. Allenfalls bei Rudolf und Heidrun, ihren beiden erwachsenen Kindern, die mit ihren Familien in Leipzig und Potsdam lebten. Hätte er sich an sie gewandt, wäre er dort längst angekommen. Aber, so verwarf sie diesen Gedanken wieder, dann wäre sie längst verständigt worden, entweder von Rudolf oder von Heidrun. Die beiden wüssten doch, welche Sorgen sie sich in so einem Fall um ihren Vater machen würde. Sie verwarf deshalb auch die Idee, bei ihnen anzurufen. Sie wollte keine Unruhe in diese Familien bringen. Nicht jetzt, mitten in der Nacht.
Vielleicht hatte er sich ja in ein Gotteshaus zurückgezogen, überkam sie ein neuer Gedanke. Aber welche Kirchen waren auch in der Nacht geöffnet? Vielleicht eine Autobahnkapelle? Oder, so beschlich sie ein neues Schreckensszenario, er war verunglückt. Doch auch dann wäre die hiesige Polizei bereits benachrichtigt worden.
Dann blieb doch nur noch eines …
Sie wurde von dem Höllenlärm eines Hubschraubers aufgeschreckt, der offenbar im Tiefflug über Halzhausen dröhnte. Sie zogen also in Erwägung, dass Dieter hier in der Nähe umherirrte. Oder schon tot irgendwo lag. Wo sollten sie auch suchen?, zuckte es durch ihren Kopf, während sie sich an den Esszimmertisch setzte und am heißen Tee nippte. Das war doch nur Aktionismus – eine Suchaktion, ohne eine Vermutung zu haben, wohin der Vermisste gegangen war. Wenn sie wenigstens das Auto fänden … – nein, doch lieber nicht, betete sie sofort inständig. Denn wenn das Auto irgendwo stünde,
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