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Machtkampf

Machtkampf

Titel: Machtkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bomm
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nichts, aber auch gar nichts mit dem Pfarrer zu tun hatte. Außerdem dürft ihr nicht vergessen, dass Hartmann in Böhmenkirch gewohnt hat und nicht in Rimmelbach. Er ist sicher nicht allzu sehr in den Dorfklatsch involviert gewesen.«
    Klauber zeigte sich skeptisch. »Der Pfarrer hatte wirklich keine Kontakte zu Hartmann?«
    Wissmut musste eingestehen, dass er dies bisher nicht in Erwägung gezogen hatte. »Okay«, gab er sich ertappt. »Wenn wir sichergehen wollen, müssten wir ihn eben explizit danach fragen.«
    Häberle gefiel diese Art der Ermittlungen nicht, verkniff sich aber eine kritische Bemerkung. Wenn in einer so kleinen Ortschaft zur gleichen Zeit zwei Fälle bearbeitet werden mussten, bei denen völlig unklar war, ob es zwischen ihnen eine Verbindung gab, dann erschien es ihm dringend geboten, die Fäden an einer Stelle zusammenlaufen zu lassen.
    Noch bevor er dies auf diplomatische Weise ausdrücken konnte, kam ihm Wissmut zuvor: »Liebe Kollegen, ihr solltet euch wirklich nicht in etwas verrennen, das es nicht gibt. Hartmann hat sich eindeutig mit seiner eigenen Waffe erschossen. Daran hat auch der Pathologe in Ulm keinen Zweifel gelassen. Schusskanal von rechts unten in den Kopf, Haltung und Auffindesituation eindeutig.« Wissmut wurde ärgerlich. Er hatte die Ermittlungsprotokolle überflogen. »Mein Gott, dass es da Dreck an der Leiter gab und er vielleicht Damenbesuch erwartet hat, das muss doch nicht gleich auf ein Verbrechen hindeuten. Wer hat nicht mal dreckige Schuhe? Auch der Kugler ist gestern Nachmittag mit schmutzigen Schuhen dahergekommen.« Er sah in erstaunte Gesichter. »Vielleicht ist auch eine Dame, die den Hochsitz raufgeklettert ist, im strömenden Regen zum Rendezvous erschienen – und dann aber gleich wieder gegangen, weil es ihr dort oben zu kalt und ungemütlich war. Und danach hat sich Hartmann erschossen.« Er überlegte. »Oder er hatte sich bereits erschossen und lag schon in seinem Blut.«
    »Aus Liebeskummer«, ergänzte Linkohr zynisch. »Einfach so.«
    Häberle entspannte die Situation mit einer ironischen Bemerkung: »Wenn das die einzige Konsequenz ist, hätte sich unser Kollege Linkohr schon zehnmal erschießen müssen.«
    Linkohr sah seinen direkten Vorgesetzten säuerlich an. Zu einer Erwiderung kam er nicht mehr, weil in diesem Moment Häberles Telefon einen schrillen Ton von sich gab. Er meldete sich, lauschte und legte schnell wieder auf. »Es gibt schon wieder Arbeit – in Rimmelbach.«

    Kugler hatte auch in dieser Nacht so gut wie nicht geschlafen. Er war sogar – ohne dabei von seiner Frau Franziska bemerkt worden zu sein – für eine halbe Stunde draußen gewesen, um die feucht-kühle Oktoberluft der Schwäbischen Alb in sich aufzusaugen. Er hatte vom Garten des Pfarrhauses aus den klaren Sternenhimmel auf sich wirken lassen, den Großen Wagen und den Polarstern – die einzige Konstellation am Firmament, die er auf Anhieb fand. Zweimal waren ganz weit oben lautlos zwei Flugzeuge vorbeigezogen. Kugler hätte sich gerne zu ihnen hinaufgewünscht, um alles zurückzulassen, was ihn so sehr quälte. Es kam ihm das Lied von Reinhard Mey in den Sinn, der einst gesungen hatte, dass über den Wolken die Freiheit wohl grenzenlos sei. Eine Zeile aus diesem Lied war ihm schon als jungem Mann treffend erschienen, ohne zu ahnen, wie sehr sie in seinem späteren Leben an Bedeutung gewinnen würde – wenn es da hieß: Und was uns groß und wichtig erscheint, wird plötzlich nichtig und klein. Aber so einfach war das nicht. Der Mensch konnte sich seinen Problemen nicht entziehen. Sie hafteten an ihm wie der eigene Schatten, vor dem es kein Entrinnen gab. Und im Zeitalter der allgegenwärtigen Kommunikation gab es vermutlich keinen Flecken mehr auf diesem Planeten, an dem man vor seinen Verfolgern sicher sein konnte.
    Er fühlte sich wie ein Ausgestoßener, wie einer, den die menschliche Gemeinschaft nicht mehr wollte. Dabei war noch gar nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Ganz bestimmt nicht. Oder vielleicht doch? Die halbe Nacht hatte er darüber gegrübelt. Wann würde etwas davon in der Zeitung stehen? Früher als gewohnt ging er zum Briefkasten, um die neueste Ausgabe herauszuziehen. Schnell griff er zum Lokalteil und blätterte noch im Flur die paar Seiten durch, auf denen das Neueste aus den Landgemeinden zu lesen war. Nichts. Er schickte ein Dankgebet zum Himmel, ging ins Esszimmer und legte die zusammengefaltete Zeitung auf einen Stuhl. Dann

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