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Machtkampf

Machtkampf

Titel: Machtkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bomm
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macht am Waldrand einen Bogen. Erst als ich dort war, hab ich das Auto vor mir gesehen.«
    »Es kann also auch erst dort losgefahren sein«, stellte der Kriminalist fest und rief sich die Aussage Melzingers ins Gedächtnis, der das rote BMW Cabrio von Igor erwähnt hatte. »War denn zu diesem Zeitpunkt das Gewitter schon vorbei?«
    Timo überlegte. »Ja. Als es kurz richtig getobt hat, war ich noch auf der Autobahn bei Aalen. Das dürfte vielleicht eine Viertelstunde her gewesen sein. Wobei ich natürlich nicht sagen kann, ob’s hier oben schon früher geregnet hat.«
    »Wie war die Situation dann, als Sie an diesem Waldeck vorbeikamen, an dem der Hochsitz steht? Hat da ein Auto geparkt?«, hakte Linkohr vorsichtig nach.
    »Ganz sicher kann ich dazu nichts sagen«, antwortete der junge Mann und vermied den direkten Blickkontakt. »Ich hab nicht bewusst rübergeschaut.«
    »Vermutlich ist der Geländewagen von Hartmann dort gestanden«, half ihm Linkohr auf die Sprünge.
    »Mag sein, ja. Aber …«
    Linkohr unterbrach ihn: »Sonst kein Auto?«
    Timo sah ihn jetzt mit blassem Gesicht an. »Glauben Sie mir nicht?« Er ließ wieder einen Knöchel knacken und wippte nervös mit den Beinen. »Außerdem will ich da in nichts reingezogen werden. Ich hab mich aus Rimmelbach zurückgezogen, das wissen Sie vielleicht.«
    Der Kriminalist nickte. »Das Verhältnis zu Ihrem Vater …«
    »Es ist besser, wenn wir vorläufig getrennte Wege gehen.«
    »So?«
    »Sie werden es schon bemerkt haben: Er lässt keine andere Meinung als seine eigene gelten. Weder in der Familie noch im Dorf.«
    Der Kriminalist überlegte, ob er die Frage stellen sollte, die ihm unter den Nägeln brannte. »Aber mit Hartmann hat er sich verstanden?«
    Sein Gegenüber verengte die Augenbrauen. »Wie meinen Sie das? Mein Vater und er waren gute Bekannte. Jagdfreunde. Sie sind auch mal in Ungarn und in Kanada gewesen – zum Jagen.«
    Linkohr konnte sich durchaus vorstellen, dass solche Reisen zum Prestige eines jeden Jägers gehörten. »Es war also so etwas wie eine richtige Männerfreundschaft.«
    Timo zögerte und fingerte aus der vor ihm liegenden Zigarettenschachtel einen Glimmstängel heraus. »Ja, das kann man so sagen. Sie waren auch hin und wieder gemeinsam im Urlaub, in Thailand. Ganz geheim natürlich. Meine Mutter weiß bis heute nichts davon. Kürzlich war er auch mal am Lago Maggiore, aber allein, soweit ich weiß. Mein Vater nimmt sich ziemlich viel heraus.« Er grinste vielsagend. »Na ja, er pflegt halt seine Männerfreundschaften. Zumindest war es so – bis vor einigen Monaten.« Er zündete sich die Zigarette an und inhalierte den Rauch. »Da hat’s wohl einen Krach gegeben, wie man so hört.«
    Linkohr kämpfte mit dem Zigarettenqualm, der ihm aufdringlich in die Nase stieg. »Ach? Worum ging’s denn?«
    Timo nahm gleich noch einen zweiten Zug. »Ich sag’s Ihnen, wenn Sie mir versprechen, dass Sie mich nicht verraten. Ich will den Krach mit meinen Eltern nicht noch vergrößern.«
    »Okay«, erwiderte Linkohr schnell. »Versprochen.«
    »Es ging um eine Frauengeschichte.«
    »In Thailand?«, entfuhr es Linkohr.
    »Nein, nicht Thailand. Dort hätt’s doch keinen interessiert.« Er zögerte. »Es war hier.«

    Kugler stand die schlimmste Nacht seines Lebens bevor. Nach dem Telefonat mit dem Journalisten war er eine Viertelstunde lang regungslos dagesessen, hatte in die aufziehende Dämmerung dieses tristen Nebeltages geblickt und vergeblich versucht, das wilde Gedankenwirrwarr in seinem Gehirn zu ordnen. Wenn die Zeitung morgen über ihn und die Anschuldigung berichtete, würde der Gottesdienst am Sonntag ein einziges Fiasko werden. Würden die ohnehin wenigen, die kamen, mit Buhrufen reagieren? Würden sie ihn auffordern, ihn, den Kinderschänder, sofort das Haus Gottes zu verlassen? Für einen Augenblick dachte er daran, einfach wegzufahren, alles hinter sich zu lassen. Für immer.
    Für immer? Er musste an die armen Seelen denken, die er während seines langen Berufslebens schon beerdigt hatte, nachdem sie freiwillig aus dem Leben geschieden waren. Junge und alte Menschen gleichermaßen. Bei einigen hatten Abschiedsbriefe ihre innere Verzweiflung verraten, obwohl niemandem aus dem Familien- oder Freundeskreis etwas aufgefallen war. Andere hatten ihr Geheimnis über den Grund ihres Selbstmords mit ins Grab genommen – und damit bei den Angehörigen eine nie verheilende Wunde gerissen. Kugler entsann sich vieler solcher

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