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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Wasser, das auf den Boden gespritzt war. Das grelle Licht spiegelte sich in den kleinen Pfützen, die es dort bildete. Sie machte sich nicht die Mühe, es aufzuwischen, machte lediglich einen Schritt fort vom Waschbecken, vom Spiegel, von Noor.
    Auf dem Bett fand sie alles an Wäsche und Kleidung, was sie brauchte. Dicke Socken gegen die Fußkälte und ein langärmeliges Shirt, das sie unter den Wollpullover zog. Es befand sich nichts Persönliches in der Tasche außer ihrer Kleidung. Keine Nachricht von Marc, kein Bild von den Mädchen. Dennoch war es ein Stück Zuhause, das hier vor ihr lag. Vertraute Details aus ihrem Leben. Sie schlief besser in dieser Nacht.
    * * *
    Burroughs stieg in den dunklen Geländewagen, den seine Botschaft ihm zur Verfügung gestellt hatte. Wie viel Schwierigkeiten würde ihm Mayer bereiten? Er hatte inzwischen erfahren, dass der Mann vom BND eigens für die Vorbereitungen des Gipfels nach Hamburg beordert worden war. Vorher war er im Ausland gewesen. Naher Osten, Pakistan – dort, wo es am meisten brodelte. Er kannte sich aus und war allein deshalb schon gefährlich. Burroughs steckte den Schlüssel ins Zündschloss, beobachtete das Aufflackern der Instrumente am Armaturenbrett und ließ seine Finger über das lederbezogene Lenkrad gleiten. Die Deutschen konnten Autos bauen. Sie hatten Sinn für Stil und Form. Mehr als die Italiener.
    Und auch ihre Agenten waren gefährlicher als manch andere. Zumindest dieser eine. Burroughs seufzte, ließ den Motor an und lenkte den Wagen aus der Tiefgarage. Er erinnerte sich, was einer seiner Kollegen über Eric Mayer gesagt hatte, was er daraufhin selbst über den Deutschen in Erfahrung gebracht hatte. Es war nicht viel, mehr Gerüchte als Fakten … Er starrte auf die Straße vor sich, auf die Autos, die vorbeirauschten, wartete auf eine Lücke und gab Gas. Mayer war gefährlich, aber Burroughs würde nicht den Schwanz vor ihm einziehen, egal, was sie über ihn sagten. Er konnte allerdings nicht auf eine schnelle Lösung hoffen, sondern würde sich vorerst mit ihm arrangieren müssen.
    Der Verkehr war dicht um diese Tageszeit, Bänder von Licht, die sich langsam durch die zunehmende Dämmerung schoben. Er fuhr gegen den Strom der Menschen, die nach Arbeitsschluss nach Hause strebten, dennoch brauchte er fast zwanzig Minuten in die Innenstadt. Der Sturm der letzten Tage hatte sich gelegt, es war kälter geworden, und eine feine Schneeschicht bedeckte die freien Flächen am Ufer der großen Wasserfläche der Alster, die dem Zentrum Hamburgs etwas Weitläufiges und Freies verlieh. Nicht so großartig wie Chicago. Nichts in Deutschland kam an die Einmaligkeit seines eigenen Landes heran. Aber die gediegene Architektur der alten Kaufmannshäuser zeugte von Wohlstand und Tradition und strahlte eine Noblesse aus, die ihn gegen seinen Willen beeindruckte.
    Auf dem Rathausmarkt war eine Stadt aus zahllosen rustikalen Holzhäusern entstanden, unter deren Lichterketten und geschmückten Tannenbäumen die Menschen dichtgedrängt am Punsch nippten. Der Geruch des heißen, gewürzten Weins lag schwer in der kalten Luft. Kathy hätte diese Mischung aus Zimt, Orangen und Nelken geliebt, und Linda wäre Europa, ganz besonders aber Deutschland, wie Disneyland vorgekommen. Als er sich jetzt zwischen den Menschen hindurchschob, meinte er, in der Menge die Gesichter seiner Frau und seiner Tochter aufblitzen zu sehen, ihre Stimmen zu hören, wie sie sich über die Krippenfiguren und glitzernden Engel unterhielten, die es überall zu kaufen gab. Und dann spürte er Timothys kleine Hand in der seinen, suchende, klammernde Finger angesichts der vielen Menschen um ihn herum. Er sah unwillkürlich neben sich, doch da waren nur fremde Kinder, mit fremden Augen und einem Lachen, dessen Klang alles Vertraute fehlte. Er realisierte, dass Timothy – wäre er heute hier – sich längst nicht mehr an seine Hand klammern würde. Zwölfjährige Jungen taten das nicht. Aber Timothy war nie zwölf Jahre geworden. Der Schmerz kam wie immer unvermittelt, unvorbereitet und traf dadurch umso tiefer. Die Stimmen verklangen angesichts dieses Schmerzes, die Gesichter der Menschen verschwammen um ihn herum. Fremde, die nicht einmal seine Sprache sprachen. Sie entfernten sich von ihm, wurden vage –
    Eine Hand griff nach seinem Arm.
»Hi, Bob, how are you? You look tired. Come, have some Glühwein.«
    Die Kollegen aus dem Konsulat waren schon bei der zweiten oder dritten Runde. Es

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